23 April 2010

Der Himmel über den Birken


... solange ich für die Schublade schrieb, konnte ich mich der Illusion hingeben großartig zu sein. Mit den anderen Tausenden, die da schreiben, mithalten zu können. Musisches Versinken, gelegentlich das Gefühl von: das ist jetzt aber richtig gut! Unbedarftes Herumtollen in Orthografien und Syntaxregellosigkeiten.
 

Die Wirklichkeit sieht verschämter aus. Strukturiertes Schreiben, der „Ich weiß, was ich tu“ - Effekt ist selten genug. Ich setze mich jedoch immer häufiger in aller Frühe hin, um zu schreiben. Dabei muss ich mich immer seltener zur Konzentration zwingen. Manchmal läuft es einfach an. Einfach so, aus dem Stand.

Ich habe die vorbereitenden Abläufe auf ein Minimum reduziert. Möglichst wenig Ablenkung durch ein eventuelles Anstellen des Fernsehers, morgendliche Gymnastik, dem Aufräumen der Küche oder Telefonaten (ja es gibt Menschen, die um diese Zeit angerufen werden können, ich gehöre nicht dazu).


Die Handgriffe sitzen inzwischen: Aufstehen, Balkontür öffnen, Toilette gehen, Wasserkocher anschalten, Haushose anziehen, dicke Socken, flauschigen, warmen Bademantel überstreifen, Rechner anstellen, Cappuccinopulver aufgießen, in den Spiegel sehen ob ich es bin, Haare zusammenbinden, halbe Tasse Kaffee trinken, ärgern dass ich wieder nicht die Zähne vorher geputzt habe, mich beruhigen, an den Schreibtisch setzen, Weckfunktion auf eine Stunde vierzig einstellen, den Himmel über den Birken betrachten...


Der Spaß dauert ohnehin maximal zwei Stunden und etwa drei Tassen Cappuccino aus der Dose. Dann Waschen, Anziehen, ein Frühstück zwischendurch, Stadtfein machen, schnell noch mal die letzten Zeilen lesen, bei irgendeiner blöden Formulierung hängen bleiben, eben fix im Thesaurus nachschlagen, im letzten Moment aus dem Haus, um die Schwester abzuholen oder zu den Kindern zu fahren.


Ein, zwei Mal in der Woche muss ich die Wohnung nicht verlassen. Dann stelle ich am Nachmittag fest, jetzt könnte ich mich mal anziehen oder mir was kochen. Das sind wunderbare Tage. Ich setze schreibend Gedanken um und um, rolle selig über meine Gefühlswiese und bin bei jeder anrufenden Freundin liebevoll nachsichtig...
 

3 Kommentare:

birgit hat gesagt…

darauf freu ich mich gegen herbstende wie blöd
wenn es kälter wird
die tage kürzer
und dann ganze tage zum vertrödeln
tage zum allein verbringen vermisse ich gerade sehr
das ist für mich entspannung abschalten pur

Wildgans hat gesagt…

gerne verbringe ich stunden im nachthemd, kann sogar in einem solchen im garten wandeln....peter ustinov hat mal dazu gesagt: sonntags genügt eine socke....
ich liebe solche tage ohne einen einzigen termin. früher mit den drei kindern war so etwas utopisch, aber jetzt....
gruß von sonia

Donna hat gesagt…

Hallo Stephanie!

Ja, ich liebe diese Schreibstunden auch, in denen ich ganz bei mir selbst bin und durch nichts abgelenkt werde...
Vielleicht hast du ja Lust, bei meinem Schreibprojekt mitzumachen - da sind schreibwütige AutorInnen herzlich willkommen.

Liebe Grüße und einen schönen CappuccinoSchreibMorgen!

Donna