13 Oktober 2014

alles bestens...

...älter werden ist nichts für Feiglinge, heißt es.
Aber es ist auch nichts für Einzelkämpferinnen. Dafür sind wir nicht gemacht. Irgendwann geht jeder mal die Puste aus und dann sind wir vielleicht nicht fertig geworden mit unserer persönlichen Bastelei an der Gegenwart und Zukunft oder dem Nachholen der verpassten Gelegenheiten. Plötzlich ist es eine Minute vor Zwölf und wir haben den Sinn des Lebens immer noch nicht richtig begriffen und nicht alles erledigt, was wir so gern noch getan hätten. Vielleicht müssen wir die Bühne mit dem schalen Gefühl verlassen unsere Rolle nicht ausagiert zu haben. Und so holt mich von Zeit zu Zeit die zickige Frage des Schicksals ein: hast du auch dein Bestes gegeben?
Aber inzwischen (das kommt mit dem Alter) kann ich mit feinem Lächeln antworten: aber ja doch... ich hätte nicht gewusst, was ich noch hätte besser machen sollen und alles, was ich trotzdem nicht vollendet habe, hinterlasse ich guten Gewissens meinen Töchtern, meinem Sohn, meinen zwölf Kindeskinder!
Das ist wahrlich ein gutes Gefühl … und so kann ich mich zwischen all meinem Bemühen und sonstigen Vorhaben in denen ich noch immer stecke, ab und zu zurücklehnen, auf die erfüllten Jahre blicken und ebenso auf die ungewisse Zeit, die noch vor mir liegt. In diesen beschaulichen Momenten denke ich: ...es ist nicht schlimm, wenn ich in meiner Lebensspanne nicht fertig geworden bin, mit all meinen Projekten, den guten Absichten oder auch kopflosen Aktionen ...nach mir kommt nicht etwa die Sintflut... im Gegenteil... in so viele Händen und Herzen ist mein Vermächtnis gut aufgehoben...

11 Oktober 2014

Verlustigt - Fundstück aus einer Sammeldatei

Wenn mir meine Heimat verlustig geht, bleibt mir in der Regel gar nichts weiter übrig, als mich mit den nun mehr bestehenden Lebensumständen zu arrangieren. Gleichgültig ob wir es selbst entschieden haben oder uns schicksalhafte Verstrickungen heimatlos gemachten, die Anpassungsarbeit an die veränderte Situation muss das Individuum auf jeden Fall leisten.

Wir sind heute in unserer Kultur auf Nichtbindung seit Kindheit an trainiert. Nach zwei Wochen wird heute nach einem Ortswechsel schon gefragt: na hast du dich schon eingelebt? Und bei einem Verlust wird einem kaum Zeit zum Trauern und Verarbeiten zugestanden. Dieser Verlust muss nicht immer ein Todesfall sein. Täglich verschwinden Menschen aus unserem Umfeld, die zu unserem Lebenskreis gehörten, die uns in irgendeiner Weise nahe standen und vertraut waren. Von Kind an gibt es in unserer fremd-strukturierten und flexibel angelegten Gesellschaftskultur ein ständiges Kommen und Gehen. Die Spielkameradin zieht weg, die beste Freundin wechselt die Schule, die Arbeitskollegin verlässt den Betrieb, der Ehemann kommt abhanden, der Freund löst die Beziehung oder eine bricht selbst mit dem eben noch innig Geliebten oder gar mit ihrem familiären Background.

Ständiger Verlust gehört zu unserem Alltag und ist als grundsätzliches Muster in unseren gesellschaftlichen Gepflogenheiten angelegt. Aber dieses neue, schon über ein paar Generationen tradierte Selbstverständnis (der permanenten Trennung) in unserer abendländischen Kultur ist und das wissen wir inzwischen genau, keine artgerechte Verhaltensweise unserer Spezies.

Als Individuum bleiben wir, selbst bei relativ harmlosen Verlusten, immer als jeweils allein Betroffene zurück. Und die anderen ebenso. Wir verarbeiten Trennungsschmerz und Trauer nicht mehr in gewachsenen Nähe-Gruppen, in unseren angehörigen Lebensgemeinschaften, sondern bleiben auf uns zurückgeworfen. Muss zum Beispiel der „Verlust“ einer vertrauen Arbeitskollegin im Alltag überwunden werden, wird kaum eine lange klagen oder darüber viele Worte verlieren, aber in unserem Inneren laufen trotzdem bestimmte Prozesse ab. Es gehört seit Prä-Zeiten zu unserer Art sich mit Verlusten auseinanderzusetzen. Von unserer menschlichen Grundhaltung her mussten wir das jedoch nicht allein durchleben, genauso wenig als isolierte Mutter die eigenen Kinder allein aufziehen.

Der moderne Trend geht jedoch nach wie vor hin zur Unterdrückung und Verdrängung der Verlust-Gefühle und der möglichst schnellen Überwindung. Sich lange damit beschäftigen oder den schmerzlichen Gefühlen Raum zu geben, ist verpönt. Jede Art von Verlust- und Trauerarbeit wird als überflüssig angesehen bzw. wie ein Tabu gehandelt. Sogleich wird uns von allen Seiten empfohlen, doch wieder nach vorn zu sehen. Das Leben geht weiter. Aber es geht auch weiter wenn wir angemessen trauern oder uns des Verlustes bewusst werden. So ziehen wir uns also eine Weile in uns zurück und lassen unseren Schmerz möglichst nicht den Alltag tangieren. Schließlich haben wir das von Kindheit an trainiert und bei den meisten sitzt die Konditionierung tadellos. Frauen sind immer wieder in besonderem Maße betroffen, müssen sie doch im herrschenden patriarchösen System schon seit Jahrtausenden ihre Herkunftsgeborgenheit verlassen und sehen sich mit vielfältigen Nuancen von Heimatlosigkeit konfrontiert.