13 Juli 2015

...eine grundlegende Betrachtung zur lebendigen Matrifokalität

'Das Leben' auf unserer Welt ist ein Phänomen, dass sich dadurch auszeichnet, dass es a) existiert und b) den immanenten Drang besitzt weiter zu existieren. Und um 'weiter zu existieren' arrangiert sich jedwede Lebensform mit den gegebenen Umweltbedingungen und passt sich permanent an. 'Das Leben' ist das gigantische Spektrum an (organischen) Lebewesen, mit denen unser kleiner Planeten überzogen ist ... im Wasser, im Erdreich, auf dem Erdboden und in der Luft. So entstanden alle, sich gegenseitig beeinflussende Effekte, die 'das Leben' in all seiner Vielfalt erhalten und überleben lassen.

Ein außerdem vorhandenes Regulativ ist die natürliche und daher unwillkürliche Selektion – der dumme Zufall oder besser die durch Kausalität bestimmte Unvorhersehbarkeit - selbst im Chaos herrscht die Ordnung des "es hat alles einen Grund".

'Das Leben' hat sich die materielle Grundausstattung der Erde, die physikalischen und chemischen Bedingungen und selbstredend alle kosmischen Einwirkungen (Sonne, Mond, Strahlung usw.) jeweils zu Nutze gemacht. Daraus bildete sich ein komplexes erdeigenes und sich ständig veränderndes, kommunizierendes (Öko)System. Sogar die sich durch das Leben verändernden klimatischen Bedingungen werden stets zum (eigenen) Vorteil genutzt bzw. in das Anpassungssystem eingebaut. Fast könnten wir sagen „es“ änderte die Lebensbedingungen zum Wohl des gesamten Lebens (z.B. Sauerstoffanteil). Aber natürlich passierte das alles ohne einen Plan, auch wenn das für manche nicht vorstellbar ist und sie von einer göttlichen und damit vorsätzlichen Intervention ausgehen.

Das Leben ist ein sich selbst organisierendes System und der systemimmanente Trieb der Anpassung ist eine permanente Reaktion der Artenvielfalt. Jedenfalls erwuchs daraus der ganz spezifischer Arterhalt der jeweiligen Lebensformen. Auch der Mensch besitzt gegenüber den anderen eine besondere, eben eine arteigene, Strategie sich als Spezies zu ver- und erhalten.

Es ist nicht verwunderlich, dass im Allgemeinen das Wort „artgerecht“, das ich in meinen Texten verwende, auf einen gewissen Widerstand stößt. Den Begriff „artgerecht“ kennen wir zuerst aus der Tierhaltung und es dauerte bis man den Begriff auch auf das Menschendasein anzuwenden begann. Denn noch sieht sich der (patriarchale) Mensch als die Krone einer obskuren Schöpfung und hier macht die moderne Frau nicht wirklich eine Ausnahme. Sich über das naturgemäße 'Biosein' zu erheben, mit Sätzen wie: 'der Mensch ist mehr als nur seine Biologie, er ist auch Geist...', ist daher immer noch ein gern geäußerter salopper Spruch. Als ob 'Geist' keine Form der Biologie wäre.

Den Menschen schlicht und einfach als zugehörige Spezies der Säugetierwelt zu begreifen, thematisiert so manch EineR lieber nicht. Auch wenn wir es längst wissen, dass wir unsere biotische, also unsere lebendige, Grundausstattung von den vorangegangenen Arten ererbt haben, ist die evolutionäre Nähe zu den (nicht menschlichen) Tieren für manche schwer zu ertragen. Als Säugetierspezies erarbeiteten wir uns einst Fähigkeiten, die uns deutlich von anderen Arten unterscheiden und unser Profil als Menschen ausmachen. Der unbedingte Hang zur fürsorgenden Gemeinschaft und Kooperation in den alltäglichen Verrichtungen sowie unsere, dadurch wachsende, Intelligenz hat uns zu einer Art gemacht, die bestimmte Spezifika entwickelten, die auch beim neoevolutinären Menschen immer noch greifen. Die kulturell praktizierte Lebensweise der verschiedenen Menschenarten (es gab, wie wir wissen, mehrere, von denen bis auf eine alle ausgestorben sind) war offensichtlich eine ihr angemessene, also 'artgerechte' Lebensweise, die als Lebensstrategie zur erfolgreichen Verbreitung führte. Fast zu erfolgreich, möchte man manchmal meinen.

Jedenfalls brachte die Menschenspezies immer genügend Nachwuchs hervor, um als Art zu überleben. Dem Nachwuchs wurde in den vom Menschen praktizierten matrifokalen Sozialgemeinschaften die Gelegenheit gegeben sich nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ, also intelligent, zu entwickeln. Das Aufziehen der Kinder gelang daher um so besser, je mehr die Mensch Kulturtechniken ersann und anwendete. Auch andere (Tier)Arten verfügen über Fähigkeiten, die beim Menschen schon als Kultur bezeichnet werden, wie zum Beispiel Tricks, die ihnen helfen besser an Nahrung zu kommen oder raffinierte Unterkünfte zu bauen. Die Menschenspezies wuchs in und mit dieser Naturvielfalt auf und machte sich hier manches zu eigen, u. a. indem sie sich gezielt einiges von anderen Spezies abguckte, Menschen können hervorragend nachäffen. Und die Epigenetik sorgte für den Erhalt der neuen Fertigkeiten.

Der Begriff menschen'artgerecht' umfasst bei mir vieles und ist kein ideologischer Biologismus. Denn es gilt natürlich eines: die biologischen Grundlagen waren zuerst da, daraus entwickelte sich eine für die Spezies sinnvolle natürliche Art zu leben. Und bevor 'der Mensch' begann sich die Welt zu erklären oder sie in seinem beschränkten Verständnis zu interpretieren, ging alles einfach nur naturgemäß zu.

Die arteigene oder auch artgerechte, Strategie des Überlebens der menschlichen Spezies war imho das matrifokale Kontinuum - die generationsübergreifende, geschwisterorientierte und mütterzentrierte Fürsorgegemeinschaft – in der sich eine verfeinerte kulturelle Alltagspraxis und ein soziales Wertesystem entwickelte.

Erst Jahrtausende später, mit der (Entdeckung und) Anwendung der strukturellen Gewalt, der Entwicklung der Waffentechnik und der Unterdrückung anderer Lebewesen (Tierhaltung und -zucht im großen Stil und einschließlich der eigenen menschlichen Art), verunstalteten einige Menschen(Männer) den Rahmen des bisherigen sozialen Gefüges.

Der naturgemäße Ablauf der homogenen mutterbezogenen Bindungsgemeinschaften wurde durch brutale Gewalt (permanente Kriegsführung) und damit einhergehende ideologische Kompression (Entstehung der erst androzentrierten und später monotheistischen Religionen) durch die sich schnell entwickelnden Autokratien, weitgehend zerstört. Unter der Regie diverser Gewaltherrschaften begannen die Menschen als Großgesellschaft zu agieren. Mehr und mehr wurden Individuen von ihren Fürsorgegemeinschaften separiert (Sklaventum, Kriegsgefangene, Handel mit Frauen und Töchtern, die formal "frei" waren). Gerade 'die Frau' verlor im sich bildenden Patriarchat ihre Selbstbestimmung und als Mutter ihren zentralen Platz in der Alltagskultur. Ihre naturgemäße Female Choice wurde systematisch unterdrückt. Um zu Überleben wurden besonders unter der Weiblichkeit Verhaltensweisen entwickelt, die wir als kollektives Stockholmsyndrom bezeichenen können.

Unser urnatürliches und damit menschenartgerechte Gemeinschaftszusammenleben fand in überschaubaren Gruppierungen statt und erscheint mir die erfolgreiche Strategie des 'im Arterhalt integrierten Selbsterhalt' zu sein. Menschenmütter, die über keine Klauen oder Reißzähne verfügen, sich auf zwei Beinen mit nur mit mäßiger Geschwindigkeit fortbewegen und vielleicht dabei schwanger sind oder stillen, werden im Alleingang kaum überlebt haben. Das Wunder des intelligenten Menschen begann innerhalb einer konsanguinen Angehörigengruppen - dem wohlgesonnenen und fürsorglichen Sippenverband, dem Matrifokal. Die Angehörigensippe, bestehend aus Großmüttern, Schwestern, Brüdern, Töchtern und Söhnen bildete die Schutzsphäre um den Kern dieser Gemeinschaften: die Mütter und ihr Nachwuchs ... und alle waren sie durch Geburt miteinander verwandt.

Sie beschützten sich im aktuellen Bedarfsfall gegenseitig vor natürlichen Gefahren. Sie bildeten als dynamische Masse (räumlich und zeitlich) die bewegliche Sicherheitszone für den noch hilflosen Nachwuchs. Hier entwickelte und wirkte das nachhaltige, dem Menschen eigene, Bindungsverhalten - der starke unwillkürliche Drang (besonders des Nachwuchses) zur Angehörigkeit und das Bedürfnis nach Identifizierung mit den Fürsorgepersonen und sonstigen Angehörigen der Gruppe. Das bedeutet: verlässliche und dauerhafte Geborgenheit in einer Verwandtschaftsgruppe zu erfahren, ist ein Erbteil der Menschenart. So wie es für andere Spezies eine Strategie ist in ihrer Bindungsgruppe, der Herde oder Horde, dem Rudel oder Schwarm, zu überleben.

Wenn diese beiden Merkmale, der Drang zur Zugehörigkeit und die Identitätsverortung, in unserer heutigen anonymen Gesellschaftskultur nicht mehr richtig funktionieren, liegt es in der Regel nicht am Individuum, sondern an den kruden Verhältnissen in die es hineingeboren wurde und mit denen es sich sich arrangieren muss um zu überleben. Das zerstörte matrifokale Umfeld wiederzubeleben und in ihm unseren Alltag zu leben, sollte ein Ziel unserer Gesellschaft werden.

.