03 Februar 2016

Was ist Familie...

...neulich stolperte ich wieder einmal über das Wort „matriarchale Großfamilie“. Das ist für mich nun doch der Anlass auf das fast schon gedankelose Selbstverständnis hinzuweisen, mit dem leider allerorten mit dem Begriff „Familie“ umgegangen wird. 'Familie' ist nicht nur das patriarchöse Verständnis von patrilinearen und patrilokalem Zusammenleben, es ist darüber hinaus ein aktiv gelebtes Bekenntnis gegen den naturgemäßen matrifokalen Sippenzusammenhang.
 

Das hochgehaltene Familienideal ist ein Denkgebot bzw. Glaubenssatz im Patriarchat. Auch wenn es manch einer schwer fällt zu akzeptieren, aber "Familie" (und "Ehe") gab es nun mal von Anfang an nicht im sozialen Miteinander der Spezies Mensch. Die Familie ist eine patriarchale "Errungenschaft" und diese ist, wie alle patriarchösen Meriten, keine natürliche Entwicklung. Schauen wir also was Familie ist bzw. wo die Bezeichnung herkommt. Semantisch leitet sich das Wort 'Familie' von lat. 'familia' - der römischen Hausgemeinschaft und hier von 'famulus' - dem Haussklaven, ab.  

Familie bezeichnet(e) den Herrschaftsbereich eines privilegierten Mannes. Zu diesem Herrschafts- und Einflussbereich gehör(t)en Frau(en) und deren Kinder aber auch die damals reichlich vorhandenen Sklaven, Gesinde sowie „Bluts“- oder andere Verwandte, die mit unter dem Dach des 'pater familias' lebten (siehe auch Wikipedia). Dieser männliche Herrschaftsaspekt, der dem Familienbegriff immanent ist, ist global betrachtet bis in unsere Zeit hochwirksam, auch wenn das heutzutage in unserer relativ freiheitlichen westlichen Kultur nicht mehr ganz so offensichtlich ist.

In den
matrifokal (manchmal wird es ungenau als matriarchal bezeichnet) lebenden Gemeinschaften wirken Sippen-Strukturen. Das sind menschenartgerechte, natürlich gewachsene Bindungsgemeinschaften, die sich in der Regel aus den konsanguinen Angehörigen zusammensetzen. Als 'konsanguin' bezeichnen wir Angehörige, die durch Geburt in mütterlicher Linie miteinander verwandt sind.

Eine Familie ist dagegen ein künstliches Konstrukt. Das heutige Verständnis von Familie basiert auf dem anerkannten Phänomen der Paarbildung als Voraussetzung, die wiederum vor allem auf der sexuellen Komponente der Beziehung beruht (wobei wir inzwischen nicht mehr nur auf das Hetero-Paar bestehen). Hier können wir nicht von Bindung sprechen, da es sich um ein ideelles Bündnis handelt, dass je weiter wir in die Vergangenheit der Patriarchose zurückgehen immer seltener für die Frau eine freiwillige Option gewesen sein dürfte. Die (direkte oder subtile) gewaltsame weibliche Unterwerfung fand ursächlich in der Sklaverei und in dem auf vielfältiger Unfreiheit der Frau beruhenden Familiensystem statt. 

Es ist daher zu bedenken, ob wir tatsächlich die Lebenskonstellation indigen/matrifokal lebender Gemeinschaften als „Großfamilie“ bezeichnen sollten. Auch wenn mit „Groß...“ der generationsübergreifende Charakter beschrieben werden soll, sind Matrifokale doch keine 'Familien'.

Derzeit finden wir unter dem Begriff der 'Familie' verschiedene Auffassungen und Ableitungen (auch hier siehe z.B. Wikipedia). So ist es üblich die Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilie als Kernfamilie zu bezeichnen. 'Die Familie' ist inzwischen ein eher fiktives Gebilde, da ihr ein schwammiges Verständnis von Verwandtschaft zugrunde liegt. Jede Variante möglicher Lebensgestaltung wird heute als Familie bezeichnet – zusammenlebende Freunde fühlen sich ebenso als Familie wie der Klassiker Kleinfamilie auf der Grundlage des gesetzlich verheirateten Ehepaares. Aber auch ein kinderloses Paar oder die alleinerziehende Mutter mit Kindern gilt hier und heute als 'Familie'.
Eine andere Spielart der anerkannten Familienidee ist die sogenannte „Bonusfamilie“ bestehend aus den fluktuierenden Fragmenten moderner Patchwork-Familien. Wir haben hier verschränkte Gebilde verschiedener Paar-Gemeinschaften, deren Bindeglieder die Kinder sind.

Die (patrilineare und patrilokale) Großfamilie von früher (in den Jahrhunderten/tausenden der Patriarchose) besaß noch eine gewisse generationsübergreifende Qualität, wie wir sie von der Muttersippe her kennen (sollten).

Der heutige Gebrauch des Ausdrucks 'Großfamilie' bezieht sich eher auf das patriarchale Elternpaar und eine erkleckliche Anzahl Kinder, welche also in der Regel mit auch nur zwei Erwachsenen (unter)versorgt sind. Im (ursprünglichen) 'Mutterland' gibt es keine „Familie“, die als Gründungsmitglieder zwei Fremde, also Nicht-Verwandte, zusammenbringt, welche sich per (freiwilliger) Bereitschaftserklärung zu einer gemeinsamen Lebensführung verpflichten und in der es nahezu ein Dogma ist, die eigenen Herkunftszusammenhänge dabei hinter sich zu lassen. Eine Paargemeinschaft einzugehen, die aus Überzeugung auf einer moderne Partnerschaft beruht und/oder eine "eigene kleine Familie" zu gründen, ist heute der gesellschaftlich anerkannte Lebenssinn. 

Die uneingeschränkte Freiwilligkeit, die uns hierbei suggeriert wird und die in unserer Kultur die Beziehung exklusiv stellt, ist allerdings weltweit immer noch nicht selbstverständlich (zum Teil noch nicht einmal in unserem Land).

Statt also im matriorientierten Denken mit Begriffen wie Großfamilie zu operieren wäre ein Begriff wie 'Das Matrifokal' angebracht. Das Matrifokal war und ist unser ur-natürliches Dasein im evolutionär entstandene Kontinuum des Menschseins. Das Matrifokal verstehe ich als ein
real vorhandenes, naturgemäßes, dynamisches Habitat, das von Beginn des Menschseins als existenzsichernde Schutzsphäre für die Mütter und ihren Nachwuchs fungierte. In der Regel bestehend aus konsanguinen Angehörigen (beiderlei Geschlechts) innerhalb der frühen generationsübergreifend, matrilinear und matrilokal lebenden Menschengruppierungen. Was bedeutet, die Menschen interagierten in ihrem Alltag in überschaubaren mutterbasierten und geschwisterbezogenen Fürsorge-Gruppen, in denen jedes Individuum integriert und geborgen lebte.

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