Die Legende vom
Alten Weißen Mann
Was im Zitat nicht erwähnt wird ist das in dem Zusammenhang bedeutsame Adjektiv Alt. Der Weiße Alte Mann ist zum Schlagwort und Synonym für eine bestimmte Geisteshaltung und Handlungsweise in unserer medialen Gesellschaft geworden. Dieses Label kann sogar ohne weiteres Frauen aufgeklebt werden. Der Weiße Alte Mann ist ignorant gegenüber dem Rest der Welt, lehnt Menschen anderer Couleur ab und hasst modernes freies Denken (bei anderen). Den (alten) weißen heterosexuellen Mann gibt es aber wirklich und nicht nur als Metapher. Und er ist tatsächlich ein Problem, aber nicht weil er weiß, heterosexuell oder alt ist, sondern der eigentliche Schurke ist der patriarchale Mann. Und der war ursprünglich nicht weiß, nicht alt, wenn auch heterosexuell, denn sonst würde ja das ganze Ding mit der Vaterherrschaft ja keinen Sinn machen.
Der weiße Mann geht auf den Europäer der letzten Jahrhunderte zurück. Der alte Mann steht für Macht, die Macht, die ein Mann zu erreichen imstande ist - in der er sich als Vater von Nationen aufspielen kann, die Gegenwart steuert und die Zukunft beeinflusst.
Irgendein x-beliebiger Tattergreis ist damit nicht gemeint. Der Weiße Alte Heterosexuelle Mann steht für den Eroberer, obwohl er wie gesagt weltweit anfangs im Sinne der Hautfarbe nicht weiß im heutigen Verständnis war. Aber in den patriarchalen Vorgenerationen unterwarf sich der historische Mann das Leben, brachte es dauerhaft in seinen Besitz. Er versklavte seine Mitmenschen, kolonialisierte dazu nach und nach fast ganze die Welt. Er trieb die Technik voran baute die Industrialisierung auf und legte die Basis für den heutigen Turbo-Kapitalismus.
Jede Art von
Technologie zeigte sich als ausgesprochen vorteilhaft im Sinne der
Macht. Waren es anfangs nur kleine Schritte, so war es doch ein
Hauptmarker der Patriarchose, dass der Mann die
Waffentechnik vorantrieb. Es ist so was wie ein Reißverschlusssystem,
dieses Ineinandergreifen von Ereignissen und die von Anfang an nicht
zufällig waren.
Das Patriarchat
Der Mann eignete sich Herden von Großtiere an,
diesen Besitz wollte er verteidigen, dazu bedurfte es Waffen und
Verbündete; er benötigte Land für die Herde, Grundbesitz wollte
verteidigt sein, daher wurde weiter aufgerüstet; die besten
Verbündeten waren anfangs Angehörige wie Brüder, aber vor allem
Söhne. Und da es hier um den heterosexuellen Mann geht, ist es
logisch, dass er sich von Anfang an die Frau und Mutter
unterwarf. Der Mann
brachte also die Sexualität und damit auch die Gebärfähigkeit
der inzwischen per se versklavten Frau unter seine Kontrolle; der Mann
entführte bzw. raubte Frauen und zwang sie in die Patrilokalität.
Mann verkaufte bzw. handelte die Töchter dieser Frauen und
schickte sie in der Regel weg. Euphemistisch nannte man solche
Transaktionen Heirat. All das setzte voraus, dass man diese
Vorgänge mit der nötigen Waffengewalt durchsetzen konnte. Das
kollektive Trauma, dem die gesamte Weiblichkeit anheim fiel, wurde
einst ausgelöst durch den bewaffneten gewaltbereiten Mann. Im
Laufe der patriarchalen Zeiten brauchte der alte, mächtige
Mann, die Waffe nicht mehr selbst in die Hand nehmen, er ließ
drohen und sanktionieren. Er hielt sich Armeen und Milizen und
nach wie vor Frauen und deren Kinder.
In der jüngeren Geschichte wurde der Alte Mann, und hier steht Alt immer noch für Macht, zum Biedermann und der klassische Biedermann war Weiß.
Die Industrienationen und schon ihre Vorläufer entwickelten sich
unter der Anleitung des Alten (mächtigen) Weißen (europäischem) Mannes zu den
Polit- und Wirtschaftsmächten, wie wir sie noch heute erdulden
müssen. Sie exportierten ihre Vorstellung von Kultur, Politik und
Moral in alle Welt und zwangen Menschen unter ihrer Herrschaft diese
zu akzeptieren und anzunehmen. Die bewährte Art der gewaltsamen
(toxischen) Durchsetzung, der am Mann orientierten Interessen, wurde seit der
Gründung erster Staaten in der Antike damals schon durch medial gesteuerte
Ideologiekonzepte flankiert. Die uns so geläufigen religiösen
Konstrukte, die uns in überholter Mythologie und den heute noch
wirksamen Theologien (monotheistischen Großreligionen) erhalten
geblieben sind, heroisieren den gewalttätigen Mann,
vergöttlichen bis heute sein Recht als Machthaber und etablieren ihn
nachhaltig in einer nicht zu hinterfragenden Vaterfunktion in unserem
Alltag. Überall da wo das Patriarchat seinen langen Schatten wirft,
laufen Männer Gefahr der Alte Weiße Mann zu sein –
selbst wenn sie eine andere Hautfarbe besitzen oder sich auf eine
andere Herkunftskultur berufen oder gar den Status eines Opfers des
kolonialisierenden Alte Weiße Mann für sich in
Anspruch nehmen. Mag auch gerade überall der Alte Weiße
Mann
als
der Buhmann gelten, das Grundproblem, das wir nach wie
vor haben, ist der toxische patriarchale Mann.
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