22 Januar 2019

Eine Mutter ist eine Mutter ist eine Mutter

Zuerst die unvermeidliche Einleitung, der Vorabblick, meine Betrachtung, darauf was wir sind und woher wir als Mensch/Frau/Mutter kommen…

Wir (Menschen und andere) sind biologische Wesen – Organismen, ein jedes auf Grundlage einer ganz eigenen Eizelle gestartet und als Säugetierart in einer Mutter herangewachsen - aus einer Mutter geboren - wir atmen, wir Stoffwechseln, wir sterben irgendwann! Das sind einfache Tatsachen und die machen uns weder besser noch schlechter gegenüber anderen.

Mag es manch einer vielleicht nicht gefallen, aber es ist eine Tatsache: Das Leben als solches ernährt sich von einander! Menschen, wir sind wie gesagt eine Säugetierspezies, brauchen pflanzliche und tierische Nahrung und wir fingen alle mal mit Muttermilch an. Und bis vor kurzem (evo-chronologisch gesehen) war genug Nahrung auf dem Planeten vorhanden, um die Spezies gut zu ernähren.

Wir sind Lebewesen unter anderen Lebewesen und kein Individuum ist vollkommen. Die (Bio)Ausstattung eines Organismus ist neben den Grundmustern der Spezies, der es angehört, individuell – ein jedes Lebewesen ist ein Unikat. Auch jede Mensch ist diesem natürlichen Effekt der Einzigartigkeit aber auch der Unvollkommenheit unterworfen. Weil wir es von Natur aus sind, empfinden uns (kulturell induziert) mehr oder weniger stark als mangelhaft und kaum eine lebt im gesellschaftlichen Hochpatriarchat ein ideales Leben. Alle Lebewesen kommen also nicht perfekt in diese Welt, sondern wir sind individuelle Bio-Einheiten, die je nach Spezies einem bestimmten Überlebensprogramm folgen. Aber es gilt auch „Wir kommen auf die Welt und die Welt ist schon da!“ (Harald Lesch). Unser über eine langen Zeitraum kulturell-ideologisch induzierter und sorgfältig kultivierter Anspruch auf ein: "mehr als nur Überleben" ist zu einem Selbstläufer im Dasein des modernen Menschen geworden.

Nach Vollkommenheit zu streben ist ein Hochziel der Patriarchose. Dieses Bestreben wurzelt in unzähligen patriarchösen Mythen, Meriten und Utopien - es ist letztendlich die Idee, die Natur zu überwinden, was sich in vielen wahnhaften und zerstörerischen Bestrebungen zeigt. Der patriopathische Mensch hört nicht auf nach einem (bestimmtem) Sinn des Lebens zu suchen, statt einfach miteinander zu leben.
Im Naturgeschehen des artgerechten Menschensein der vorpatriarchalen Zeiten wird die Mensch genau das getan haben: einfach nur gelebt ... alles andere ist unlogisch. Als aus dem anfänglichem frugalem Leben ein patriarchöses "Überleben um jeden Preis, aber nicht für Jeden" wurde, ging wie man so schön sagt, der Menschheit die Unschuld verloren. Es wurde der uns so gut bekannte destruktive Mechanismus in Gang gesetzt, die Natur "zu verbessern" - ein nicht endender Wahn, der heute in einer Welt von Andro-Cyborgs mündet und den das Biowesen Mensch vielleicht nicht mehr stoppen kann. Der Andro-Mensch ist nicht deshalb ein unvollkommenes Wesen, weil ein Gott ihn so erschuf, welcher ihm darüber hinaus noch den Auftrag erteilte, sich alles untertan zu machen und die unvollkommene Natur zu verbessern, sondern weil das Wissen um die Endlichkeit des Lebens bei dem patriopathischen Mann ein Streben nach Omnipotenz und einen unkontrollierbaren Selbsterhalt auf Kosten aller anderen auslöste.

Perfektion ist eine Illusion. Jede Art von Verbesserungen unserer Umwelt und unseres körperlichen Selbst sind mit alchemistischer Zerstörung erkauft. Diesen desaströsen Zustand haben wir inzwischen als natürlich verinnerlicht. Einerseits bin ich natürlich auch froh eine Brille zu haben oder an einem Laptop zu sitzen, andererseits steht hinter allen, auch den harmlos erscheinenden Produkten, eine Industrie, deren Technologie schon längst den Planeten frisst. Ich weiß, dass wir das nicht von jetzt auf gleich einfach weg lassen können und wollen schon gar nicht, aber wir sollten ab sofort mit dem Bewusstsein leben, was das alles für uns als Individuum und Gruppenwesen und für die ganze Welt bedeutet. Es wird Zeit, dass wir uns kollektiv von den bestehenden gesellschaftskulturellen Zwangsvorstellungen lösen, die unsere biologische, endliche Natur als irrelevant oder untergeordnet erklären möchte. Weil wir nicht unendlich sind, ist es um so wichtiger unsere fragile Existenz (als Individuum und Phänomen Leben) gegenseitig zu respektieren und zu erhalten und uns auf unseren Ursprung als Menschenart zu besinnen. Vor diesen Grundvoraussetzungen und im Sinne eines humanen Seins ist Niemand berechtigt, sich über andere zu erheben oder an ihnen seine Willkür auszulassen. Die Lebewesen auf diesem Planeten sind seit es dieses Leben gibt, dem organisch-evo-biologischen Geschehen unterworfen und wir Menschen, weder als Individuum noch kollektiv, können oder sollten versuchen sich dem zu entziehen. Was jedoch leider im Kontext des bestehenden Hochpatriarchats nicht nur ständig passiert, sondern noch auf alchemistische* Weise weiter voran getrieben wird. Was vor allem durch die Aktionen des (patriarchalen) Mannes geschieht, die sich mit dem Spruch umschreiben lassen: Teile und Herrsche! Und dieses „Teilen“ nahm seinen Anfang mit der Separierung der Frau von ihrer Mutter, ihrer Sippe, ihrer Geschwistergemeinschaft.

Dabei findet bloß eine trostlose Vereinzelung statt und keine liberale Individualisierung, die sowieso unserer urtümlichen Menschenart widerspricht. Das Potential des (menschlichen) Individuums findet erst in der Interaktion mit der lebensnotwendigen Nähe-Gruppe seinen Sinn. Diese Art zusammen zu leben ist unser selektiertes Sein als die Mensch. In den matrifokalen Gemeinschaften erwarben und verfeinerten wir unsere Menschenintelligenz als Nebeneffekt unserer personellen Interaktion (vor allem mit unserem Nachwuchs) in den Mütter- und Fürsorgegemeinschaften unserer Sippenhabitate. Hier wurde jedes Einzelwesen so gut es ging erhalten und gebrauchte – das ist das menschliche, artgerechte Kontinuum, von dem auch Jane Liedloff schreibt. Leider hat sich seit unserem naturgemäßen Dasein bis heute viel geändert. Wir alle und damit meine ich nicht nur die Frau als solche, folgen den konditionierten und sozial tradierten Vorstellungen und Werten, für die die Patriarchose steht. Es ist quasi ein Zufall, dass wir, die gerade reallebende Frau hier und jetzt, eine relativ friedliche Zeitzone erwischt haben, die uns ermöglicht, uns wieder auf unsere Weiblichkeit und Mütterlichkeit zu besinnen und im Interesse unserer Kinder zu forschen und wieder ans Licht zu holen, was uns verloren ging.

(* ... den Begriff ‚alchemistisch‘ wende ich hier im Sinne der Ausführungen von Claudia von Werlhof an, die das frühe und fortgesetzte Gebaren des zerstörerisch agierenden patriarchalen Mann als 'alchemistisch' bezeichnet...)

Naturgemäße Mutterschaft und Muttersein im menschlichen Kontinuum ist Überleben und später auch kulturelles Leben...
Warum also dieser lange pingelige Vorlauf in dem ich die Mensch und Mutter erst einmal in der Evolution verorte? - Weil es neuerdings in öffentlichen Darstellungen und Debatten für mich stets den Anschein hat, als wären Mütter eine gesellschaftstheoretische Erfindung. Figuren, die auf dem patriarchalen Spielbrett hin und hergeschoben oder gelegentlich ganz herunter genommen werden. Die neuste Entwicklung ist hierbei der Trend: Mutter ist wer sich so fühlt oder um ein Kind kümmert. Wohl in Anlehnung an den Trend sich selbst als Geschlecht seiner Wahl zu definieren, also ein selbstgewähltes Gender zu sein, unabhängig von angeborenen biologischen Merkmalen. Hier ist eigentlich im Sinne der Humanität nichts dagegen einzuweden, solange die Entscheidungsfreiheit für alle gewahrt bleibt und dass sich ein Jedes in kollektiven Diskursen ohne Diskriminierung auch im herkömmlichen Sinn definieren darf.

Jede Mutter darf sich als Mutter definieren. Mit dem Mutterbegriff befasste ich mich schon in verschiedenen Zusammenhängen und stellte dabei irritiert fest, dass es immer noch verpönt ist die schlichte Biologie der Mutterschaft als Ausgangsbasis für das Muttersein vorauszusetzen ... und das ist, so finde ich, sowas von Neunziger. Über die Jahrtausende hinweg galt eine Frau, die ein Kind gebar als dessen Mutter. Für alle anderen Angehörigen gab es andere Bezeichnungen. In der (patriarchal überlieferten) Vergangenheit hatten wir immerhin noch eine Vielfalt an differenzierten Bezeichnungen für Angehörige, die heute alle so gut wie keine Rolle spielen, da wir ja kaum noch mit Verwandten zusammenleben. Dafür hat es sich eingebürgert verschiedene Fremde (Nichtverwandte) in den sozialen Zugehörigkeitskanon aufzunehmen. Freundschaft nimmt für manche einen höheren Stellenwert ein, als Verwandtschaft.

Einerseits wird in der unmittelbaren Moderne die Mutter immer mehr entwürdigt, andererseits möchten alle eine Teilhabe am (idealisierten) Muttersein. So sind auch so manche "neuen" Väter festen Glaubens sie wären die besseren Mütter. Aber hier ist der Mutterbegriff schon nicht mehr als biologischer Begriff zu verstehen, sondern als die ideologisierte und romantisierte Attrappe, die vor die reale Mutter gestellt wird.

Das Mutterideal auch als Muttermythos bekannt ist eine dialektische Spielwiese fern jeden Realismus. Das Mütterliche möchten derzeit so manche(r) für sich in Anspruch nehmen ohne sich dabei auf die Seite der Mütter zu stellen. Hier muss die Frage gestattet sein wie es zu diesem absurden Trend kommt? Die konkret existierende Mutter-Person wird immer mehr zurückgedrängt und sogar ihrer Menschenwürde beraubt, gleichzeitig wird die idealisierte Vorstellung von Mutter immer höher gehängt. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung ist die reale Mutter fast unsichtbar, als Sündenbock und Prügelknabe in der gesellschaftlichen Wahrnehmung jedoch stets präsent. Ihr, der Mutter, wird über all die Männergemachten Gesetze, den stupiden Mainstream und der opportunen Politik die Berechtigung abgesprochen ihre Mutterkompetenz auch allein wahrzunehmen. Sie wird nur noch als hälftiges Elternteil definiert und dem Vater des Kindes per se ein Lebenslanges Mitbestimmungsrecht eingeräumt. 

Der Vater will das Kind! Dereinst war es in privilegierten römischen Familien-Herrschaftsgebilden sehr beliebt und auch üblich, zu adoptieren, also an Kindes statt anzunehmen. Dafür wurden extra Gesetze geschaffen, von Männern für Männer. Denn es ging um Vermögen und um Status. Mit den Frauen hatten diese Abläufe nicht viel zu tun. Diese durften sich dem Gatten beugen oder wurden zur Pflege abkommandiert, wenn es sich um Kinder handelte. Aber eigentlich war damals eher die Erwachsenenadoption en vogue. Mit anderen Worten, diese Art des "Kinder kriegen" war eine rein männliche Angelegenheit - und natürlich nur in privilegierten Kreisen. (wie in dem bekannten Roman "Ben Hur" - da wird der Sklave Judah von dem, von ihm geretteten Römer adopiert und erbt später dessen Vermögen)
Im Laufe der Jahrhunderte festigte sich das männlich betonte Familienkonzept bis in die Neuzeit mit der Familiengründungserlaubnis für jedermann und heute darf sogar Frau eine "Familie gründen". Auch sie darf (wem auch immer) einen Antrag machen. Trotzdem besitzt auch die moderne Frau nicht etwa das Recht 100% Mutter sein zu dürfen oder ihr Kind im matrifokalem Sinn aufzuziehen. Sie kämpft im Rahmen der Väterideologie quasi weiterhin um das von ihr geborene Kind, welches naturgemäß das biologische matrifokale Erbe in sich trägt. An diesen realen (evo-biologischen) Tatsachen hat sich ja auch im Laufe der Patriarchose nichts geändert. Die Frau, die das Kind gebar, ist die leibliche (genetisch-biologische) Mutter, der dann selbstverständlich das Kind zugeordnet werden muss. Und da war/ist es erst einmal nicht von Bedeutung, ob sie danach in der Lage ist, das Kind selbst zu nähren und aufzuziehen. Für ein verwaiste Kind gab es schließlich im natürlichen Kontext die Muttersippe - Das Matrifokal. Und auch wenn es (in patriarchalen Verhältnissen) vorkommt, dass Kinder aufwachsen, deren Mütter unbekannt sind, ist es trotzdem klar, dass sie eine gehabt haben. Das kam und kommt zum Beispiel in patriarchösen Kriegswirren immer noch vor.

Der naturgemäße Mutterstatus wird im Patriarchat immer der Vatermacht untergeordnet. Der Frau blieb nur die Identifikation mit ihrer körperlichen (biologischen) Mutterschaft, die kaum eine gesellschaftliche Relevanz hatte, denn im (Hoch)Patriarchat gehört das Kind dem Vater! Das wurde und wird noch immer in vielen Gesetzeslagen festgeschrieben. Für die patriarchal unterworfene Mutter konnte das verschiedene Folgen haben. Man konnte sie verstoßen und ihr Kind blieb zurück oder sie wurde anderweitig willkürlich von ihrem Kind getrennt, was im Sklavenstatus für beide üblich sein konnte. Der Mutterbegriff fiel daher immer wieder in unterschiedlicher Weise dem jeweiligen gesellschaftspolitischen Konsens zum Opfer. So wie ab der Romantik das 'liebe Mütterlein' verklärt wurde, sich jedoch an den meist harten Alltagsbedingungen der realen Mütter nichts änderte.
Ein typisches Merkmal der patriarchösen Zeiten ist u.a. die Stiefmutter. Diese Frauen wurden durch die Heirat mit einem Witwer zur Fürsorgeperson der vorhandenen Kinder und wir können in Märchen und diverser Literatur nachlesen wie sich das u.U. einst gestaltete. Die Frau wählten eher selten den Ersatzmutter-Status freiwillig, sondern bekamen ihn bei der Heirat zugewiesen. In diesem Sinn gibt heute keine Stiefmütter mehr, es sei die richtige Mutter stirbt wirklich.

Frauen und Mütter - nicht immer eine einheitliche Geschichte...
Heute stehe ich immer wieder verblüfft dem vorauseilenden Gehorsam anpassungswilliger Frauen gegenüber, welche die Kernkompetenz der Mutterschaft eifrig demontiert, weil sie, manchmal selbst Mütter, trotzdem irgendwie keinem/r weh tun wollen (wem eigentlich) und das vielleicht auch nur, damit ihnen keiner wehtut. Es hört sich absurd an, aber 'man' kooperiert mit einem Mütterfeindlichem System um in diesem mit dem Kind zu überleben. Baut man deshalb die reale Mutter zu einem Ideal um, dass allen zugänglich gemacht werden soll?
Zitiere aus einem anderen meiner Beiträge: „Eine Frau und ebenso wenig ein Mann, wird nicht durch Kinderpflege und durch Nachahmen von Mütterlichkeit die Mutter eines bestimmten Kindes! Die Mutter ist jene Frau, welche das Kind gebar ... alles andere sind jeweils sozio-kulturelle und konventionelle gesellschaftliche Absprachen oder in bestimmten Fällen ein fürsorgendes Erfordernis. Und auch wenn eine Pflegemutter eine wunderbare Ersatzmutter ist, sollten doch die Begrifflichkeiten nicht verwischt werden. Es ist nicht beliebig wer ein Kind aufzieht! Die moderne Tendenz so zu tun, als wäre es egal, ist eine böse Falle im patriarchösen Regelwerk und dient dazu die Mutterschaft als solche zu verunglimpfen um der realen Mutter ihre Mutterkompetenz (und damit das von ihr geborene Kind selbst aufzuziehen) streitig zu machen...“

Stephanie Ursula Gogolin
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