06 März 2012

Träumen und Ausschlafen

In einem der letzten Tochtergespräche ging es um das lange abendliche Aufbleiben der lieben Teenager. Als aufgeklärte Mutter wusste sie (meine Tochter) natürlich, dass dieses nicht (nur) ein Disziplinproblem ist, sondern vor allem ein biologischer Effekt, dem die Heranwachsenden ausgesetzt sind. (hormonelle Veränderungen und daraus resultierende Umbauarbeiten im Gehirn!)
Langes Aufbleiben und morgens ungehindert Ausschlafen können wäre der Idealzustand, aber es gibt ja für den modernen Menschen ein Schulsystem, das durchlaufen werden muss, egal wie sinnfrei es an manchen Stellen auch sein mag.
Jedenfalls schafft es eine fast Vierzehnjährige mühelos bis nach Mitternacht wach zu bleiben. Morgens um sieben oder eher aus den Federn zu müssen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Und z.B. in der ersten Stunde gleich eine Arbeit schreiben zu müssen, ist daher Folter und sollte bei Amnesty angezeigt werden, denn bis nach Neun „schläft“ das Teenagergehirn noch.
(Auch nachzulesen in dem sehr unterhaltsamen Buch: „Der frühe Vogel kann mich mal“ von Bettina Hennig)
Aber, das manchmal für die Erwachsenen uneinsichtige und wenig gesellschaftskonforme Verhalten gerade von den JungFrauen, kann auch noch anders gedeutet werden.
Das dringende Bedürfnis, am Abend über Gebühr lange auf zu bleiben, ist ein Nachholen der auf konventionelle Art eingeschränkten Freiheit. Und der aktive (wenn auch unbewusste) Protest gegen Fremdbestimmung und krude Anpassung besteht oft in einer demonstrierten Inaktivität.
Es ist die erwachende junge Frau, die eigentlich etwas Besseres zu tun hätte und sich lieber mit der Einordnung ihrer Empfindungen und Gefühlen beschäftigen möchte. Ihren Intellekt nach vorhandenen Neigungen, Begabungen und Fähigkeiten entwickeln will und dafür Zeit braucht, welche nicht zugedröhnt ist mit patriarchalen Lernprogrammen, welche an Zielen ausgerichtet sind, die so gar nichts mit der Empfindungswelt der jungen Frau zu tun hat.
Die jungen Leute, besonders die Mädchen, kommen am (oft späten) Nachmittag nach Hause und dürfen, wenn sie Glück haben, endlich sie selbst sein. Das wird natürlich nach allen Regeln ausgekostet, wenn die Hausaufgaben erledigt sind, die der geplagten Jugendlichen zuvor noch mehr von ihrem kostbaren Zeitpotenzial nahmen.
Zwar wird in mancher Häuslichkeit den Mädchen bestenfalls eine Festlegung auf das patriarchatskompatibel Weibchen angeboten, aber welcher sozial geprägter Hintergrund auch vorhanden ist, die Pubertierende braucht Zeit für sich und oft mehr als ihr von wohlmeinenden Erziehern zugestanden wird.
So finden wir manchmal bei den Maiden den Drang in der Natur allein zu sein und das scheinbar stundenlange (Tag)Träumen gehört ebenso zu den arteigenen Findungsprozessen. Emotionale und intellektuelle Entfaltung (im wahrsten Sinn des Wortes) ist des Teenagers Hauptaufgabe. Das Eintauchen in fantastische Lesewelten ist ebenso oft vertreten, wie das Versinken in kreative Tätigkeiten. Und vergessen wir nicht zuletzt den, energetisch überaus wichtigen Austausch mit der besten Freundin oder die ersten dramatischen Ausbrüche aus dem elterlichen Alcatraz.
Heute ein weiblicher Teenager zu sein, bedeutet viel zu oft sich den Freiraum für das Erbauen der eigenen Welt abknapsen zu müssen. Schlafen können wann es der junge (weibliche) Mensch braucht ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Vorgaben des männlich geprägten Patrisystems sind so gar nicht kompatbel mit den Bedürfnissen einer JungFrau.

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