27 Juli 2012

Fahr vorsichtig


Urlaubszeit – Reisezeit – Ferienspaß – und doch - manchmal möchte ich am liebsten gar nicht wissen, wo und wie sie alle, die mir nahestehen, gerade unterwegs sind...


Fahr vorsichtig oder pass auf dich auf

 

Wir kennen alle solche Sätze, aus unserer Jugendzeit und von uns selbst, wenn wir sie anderen mit auf den Weg geben. Sie sind Synonyme für: Ich wollt, du würdest bleiben! Ich hab dich lieb und möchte eigentlich nicht, dass du gehst! Ich möchte dich nicht, nichtmal für kurze Zeit verlieren! Ich weiß, dass du dich mit jeder Fahrt auch in eine tödliche Gefahr begeben kannst - doch ich sprech es nicht aus, niemand spricht es aus.
 

Wenn wir die Aktivitäten unseres, heute so wenig verbindlichen Alltags so wahrnehmen und benennen würden wie sie sich in unserem Inneren darstellen und von uns gefühlt werden, wenn wir stets den Trennungsschmerz zulassen würden, der zu diesen Urerfahrungen passt, könnte vielleicht keiner mehr sein modernes Leben leben. Verlust ist unser täglich Brot. Verdrängung ebenso. Der Irrwitz des ständigen Ausblendens, dass wir von den wenigen Menschen, die uns nahe stehen, tagtäglich mehrmals trennen müssen, passt nicht zu unserer menschlichen Gruppenurerfahrung. Kinder traben in die Schule, fahren Bus und Rad. Erwachse müssen ihre Ausbildungs- und Arbeitsstätten aufsuchen. Die sind eher selten zu Fuß zu erreichen. Es wird Tag für Tag mit dem Auto und der Bahn gefahren und obwohl in der Regel am Abend alle wieder heil zu Hause sind, bleibt die gegenseitige, gut eingefrorene tägliche Sorge. Ein ungeheurer energetischer Aufwand und diese Energie fehlt uns an anderer Stelle.
 

Wir leben fast nie mehr in natürlichen Verhältnissen mit vielen Angehörigen, mit denen wir überschaubar unsere Tage verbringen, gemeinsam arbeiten und unsere Gefühlswelt teilen. Statt dessen wird von jedem Erwachsenen erwartet, dass er sich autonom verhält und (immer wieder neue) Lebensgefährten sucht. Wir zähmen die Menschen, mit denen wir zusammenleben wollen, wie der kleine Prinz den Fuchs. Wir arbeiten daran, sie uns vertraut zu machen und werden dabei immer von dem unterschwelligen Bewusstsein begleitet, sie ohnehin wieder zu verlieren.
 

Unter diesem Gesichtspunkt könnten wir auch annehmen, dass die zweifelhafte Heiratsformel „...bis dass der Tod euch scheidet“, nicht so sehr als Fessel gedacht war, sondern eher als eine Art Garantieversprechen in puncto verlässliche Zugehörigkeit, besonders für die junge Braut. Als (kläglichen) Ersatz für die nicht mehr stattfindende (mütterliche) Sippenzugehörigkeit.
 

Fahr vorsichtig! Pass auf dich auf! Ziehst du dich warm genug an? Isst du ordentlich? - Sprüche, die jeden älteren Teenager und manchen Partner auf die Palme bringen. Und die doch von Seiten der Eltern bzw. der Zurückbleibenden, zwei wichtige Funktionen des Zusammenlebens zum Ausdruck bringen: zum einen, unter dem Eindruck der Trennung, (verschlüsselt) auf die Innigkeit der Verbindung hinzuweisen und zum anderen und hier gerade den jungen Menschen beim Verlassen der geschlossenen Gruppe vor den „Gefahren der Wildnis“ zu warnen. Schließlich ist unser modernes Leben auch gefährlich, gerade auf der Autobahn. Grund genug sich zu sorgen. Daher sind diese Sprüche einfach nur ein natürlicher Reflex und in ihrer Umschreibung an die heutige Art angepasst unsere Gefühlslagen zum Ausdruck zubringen. Also werten wir die Sprüche, als das was sie sind: wichtige, wertvolle Bänder zwischen uns und unseren uns Angehörenden.

Also allen eine schöne Urlaubszeit und fahrt vorsichtig!
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