25 Juli 2014

tanzen im Saal - Kindheit die Siebte

... es ist doch nicht so leicht, den Vorsatz durchzuhalten, täglich zu posten. Manchmal kommen schlichtweg Termine des Alltags dazwischen, persönliche Befindlichkeiten oder das Hirn ist leer, wie ein frisch gefegter Tanzsaal nach einer Kirmes.
Wie komme ich denn auf den Vergleich?
Aja, es ist wieder einmal ein Kindheitserinnerung. Für mich war es einst das Tollste in den leeren Saal zu schleichen und dort auf dem glatten, kunstvoll verschachtelten Parkett allein zu tanzen. Der Saal gehörte zu den Gebäuden des Dorfgasthauses, in dem wir, wie schon erwähnt, eine kleine Wohnung in einem Seitentrakt bewohnten.
Meine Hausschuhe hatten alle eine Zeitlang ständig vorn durchgestoßene Stellen, weil ich, wo ich ging und stand, Spitzentanz übte. Das muss sehr putzig ausgesehen haben mit meinen meist molligen, karierten Hausputschen. Ich fand es toll leichtfüßig auf meinen Zehenspitzen vor mich hin zu tanzen und war ich barfuß, blieb mir immer noch die Halbspitze. Kindern ist es, glaube ich, egal wie sie dabei aussehen, wenn sie sich nach einer, manchmal nur inneren, Musik bewegen wollen. Ich frage mich heute, wo ich meine Vorbilder herhatte. Aus Kinofilmen wahrscheinlich, die mir schon kleinerweise zugänglich waren. Einen Fernseher gab es nicht in meinem Kinderleben und eine Ballettaufführung auf einer richtigen Theaterbühne habe ich erst viel später gesehen.
Ich liebte es in dem Saal herum zu stöbern. Meine Mutter hat ihn oft genug geputzt und war ich immer dabei, wenn es die Gelegenheit erlaubte.
An der hinteren Wand des Saales gab es eine Bühne, wie damals in fast jedem Dorfgasthaus. Demgegenüber hing eine, mit Fenstern versehene, Empore über dem Eingangsbereich und der Theke. Eine schmale düstere Treppe, die mir gruselig erschien, führte nach oben. Aber dann war es für mich jedes mal erhebend von da das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen.
Kirmestanz oder andere Veranstaltungen fanden meist an den Wochenenden statt. Und später, als ich selbst ein Schulkind war, diente der Saal unter der Woche als Turnhalle, was aus meiner Sicht seinem besonderen Zauber sehr geschadet hat.
Aber als ich klein war, wurde auf der Bühne des Saales Theater gespielt, Schulaufführungen, Laienspiel und ähnliches. Manchmal gastierte auch ein Chor oder eine andere darstellende Truppe. Am lebhaftesten sind mir noch die Marionettenspiele, die mehrmals stattfanden, im Gedächtnis. Es wurden Märchen und Sagen vor bunten Kulissen aufgeführt, so zum Beispiel die Geschichte von der Heiligen Genoveva. Es ist schon erstaunlich, was so Anfang der fünfziger Jahren noch möglich war und ich fand es einfach nur wunderbar - anfangs waren die kunstvollen Puppen fast so groß wie ich, bis ich über sie hinaus gewachsen bin. 
Von den Geschichten habe ich damals meist nicht viel verstanden, aber die Genoveva war sehr lieblich in ihrem himmelblauen Seidenkleid und dem goldenen Stirnreif, auch wenn sie sich ein wenig hölzern und eckig über die Bühne bewegte. Genoveva habe ich viele Jahre später in Lübeck im Marionettenmuseum wiedergesehen. Ich bin überzeugt davon, dass es genau die Puppe aus meiner Kindheit war - wir lagen uns weinend in den Armen, bildlich gesprochen.
In all den Jahren hatte ich immer mal wieder die Gelegenheit den Saal für mich allein zu haben. Die Bühne, mit dem schweren, dunkelroten Vorhang, die Ecken und Nischen und die mir damals riesig erscheinende Tanzfläche. Nur wenige Augenblicke dort herum zu hüpfen, Pirouetten zu drehen, mich im Takt einer unhörbaren Musik zu wiegen und in eleganten Posen zu ergehen, konnten mich für Tage glücklich machen.

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2 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

....schöne Erinnerungen......

Stephanie hat gesagt…


Danke, ich versuche so gut es geht für meine Nachkommen all diese Kleinigkeiten festzuhalten ... in früheren Zeiten hätte ich es ihnen einfach nur beim gemeinsamen Beisammensein erzählt...