11 August 2014

wollen oder müssen

... je älter ich werde desto mehr setze ich mich mit dem beliebten Dogma des "ich muss" in unserer Gesellschaft auseinander. Der antrainierte Drang etwas noch unbedingt erledigen zu müssen ist meist gekoppelt mit dem des vorauseilendem Gehorsam. Was wir „müssen“ haben wir frühzeitig verinnerlicht. Unser Alltag besteht in jungen Jahren größtenteils aus dem Lernprogramm der kollektiv verfassten To do - Listen für das gesellschaftskonforme Leben.
Alle zu erbringenden Leistungen, die wie Meilensteine den Weg unserer persönlichen Existenz zerstückeln, wurden zum Teil schon lange vor unserer Geburt auf die, zivilisatorisch und kulturell sanktionierten, Lebenslisten gesetzt. Zwischen sehr alten Traditionen und scheinbar modernen Erfordernissen richten wir unser Dasein so gut wie möglich ein.
So ist einer der oberen Punkte sich bei Eintritt in das Erwachsenenalter unbedingt einen Lebenspartner zu suchen. Dieser Punkt kommt gleich nach der Abnablung von der Herkunftsfamilie im Jugendalter. Wir folgen dabei kaum noch dem naturgemäßen, sonder einem stark kulturell kreierten Schema. Manches davon ist für uns persönlich zufriedenstellend und macht uns vielleicht sogar glücklich. Daher wird das meiste von den meisten ein Leben lang gehorsam erfüllt und nur mit zunehmendem Alter hinterfragen die eine oder der andere den Sinn der vorgefertigten Schemata, denen wir so brav gefolgt sind.
Das was den Alltag des Durchschnittsindividuums ausmacht, wurde uns durch verschiedene Lehrmeinungen als unumgängliche Pflicht nahegebracht. Da wir angeblich damit dem Gemeinwohl dienen, soll uns dieses „Muss“ gleichzeitig zufrieden machen (dabei macht es meist nur den Chef glücklich). Das Gemisch aus unseren persönlichen (naturgemäß konzipiertes Agieren) und den gleichgerichteten konditionierten Verhaltensmustern beherrscht unseren sozialen Alltag. Wir sind Menschen und als solche Gemeinschaftswesen.
Unsere derzeitige Kultur hat uns jedoch stark vereinzelt und damit sind die Pflichtübungen für alle enorm angestiegen. Jeder macht quasi alles allein. Die Entlastungen, die ein soziales (gegenseitiges) Nähe-Netzwerk einer unmittelbar Angehörigengruppe mit sich bringt, kennen wir alle kaum noch. Um zugehörige Nähe im Alltag zu fahren muss sich der erwachsene Mensch eine Fremden vertraut machen (oder Kinder anschaffen).
Natürlich sind neben der selbstverständlichen Erwerbstätigkeit, unsere täglichen Verrichtungen, wie essen und Nahrung zubereiten, Körperpflege und ausreichend Schlaf, Besinnung und Erholung zur Regenration, für unser Wohlbefinden unumgänglich und scheinbar brauchen wir dafür auch niemand anders. Der Single in der anonymen Großgesellschaft ist eine inzwischen ganz normale Erscheinung. Trotzdem, der direkte Wohlfühleffekt für das Individuum ist nicht leicht zu haben.Der Vereinzelte muss alles selbst auf die Reihe bringen, seinen Alltag organisieren, für seinen materiellen Unterhalt und seine alten Tage sorgen - aber er tut es (angeblich) gern. Die meiste Zeit wendet der Durchschnittsbürger daher für Tätigkeiten auf, die sich nicht unmittelbar auf die Fürsorge an bestimmten Menschen im unmittelbaren Umfeld beziehen. Den meisten fällt diese unnatürliche Lebensgestaltung gar nicht auf.
Trotzdem - so wie wir an gesellschaftsinitiierte Fremdsteuerung gewöhnt sind, so wenig lernen wir unser persönliches Zeitpotential ohne schlechtes Gewissen zu managen. Wir alle wissen genau, was „man so tun muss“ und entscheiden aus freien Stücken zu wenig, was zu tun ist, damit es uns (und unseren Angehörigen) gut tut.
'Tu was du willst und schade niemand' - erstes Hexengebot - kennt inzwischen jede... also was „muss“ ich wirklich? Das Auto zum TÜV bringen oder die Schwester zu ihrem Arzttermin fahren? Ich könnte ich es auch lassen und mit den entsprechenden Konsequenzen leben.
Wir (Menschen) sind evolutionär nicht darauf ausgerichtet ein Leben oder bestimmte Phasen davon in edler Einsamkeit zu verbringen - das ist unnatürlich bzw. nicht artgerecht ... aber solange sich die bürgerlich-kulturellen Parameter unseres patriverkorksten Gesellschaftssystem nicht ändern, bleibt mir nur zu sagen: mein Wille geschehe in meinem Leben und zwar ohne sich hinterher zu grämen, weil ich dieses oder jenes „muss“ einfach ignoriert habe...
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