16 Mai 2006

Immer Muttertag oder Die artgerechte Menschenhaltung


Die liebliche Tünche des Muttertags blättert einen Tag später schon wieder ab. Die fertigen Präsente und Sträuße welken in den Geschäften vor sich hin und werden zum halben Preis angeboten. Die Mütter der Nation machen ein Jahr lang weiter wie bisher, die Väter vermutlich auch.

Nicht jede Frau ist eine Mutter, aber jede Frau ist eine Tochter und hat somit eine Mutter. An dem „Mutterthema“ kommen wir also nie vorbei. Und ein Thema ist es, aber Hallo! Jede Frau springt auf ihre Weise darauf an. Manche Frauen reiben sich an der Thematik so sehr, dass sie dabei vergessen, dass sie selbst schon Mutter sind. Mutter und Tochter, ständig scheinen sie auf allen Ebenen im Clinch zu liegen. Wieviel Mutter braucht ein Kind, eine Menschengruppe, die ganze Welt?


Die Selbstverständlichkeit der Mutterpräsenz ist uns verloren gegangen, wurde nachdrücklich ausgemerzt. Es wurde getrennt, was eigentlich nicht zu trennen ist. Es wird eingeengt, wo Bewegungsfreiheit lebensnotwendig ist und Distanz gefordert, wo Zuwendung existenziell ist. Mutter: der Ausgangspunkt des Lebens! Aber wie sieht es wirklich aus, wie wird sie gesehen?


„Mutter“ trägt für alles die Verantwortung und ist an allem Schuld. Sie ist zu viel da und gleichzeitig zu wenig. Sie beschneidet unsere Freiheit und verweigert uns die Zuwendung, die jeder gern hätte. Das Muttersein wird fast ausschließlich von außen betrachtet. Meist pragmatisch und im männlich geprägten Verständnis bedeutet das: Frau kriegt irgendwie ein Kind und gut isses! Und überhaupt hat Frau hauptberuflich Ehefrau zu sein. Wenn sie ausschert und sich als
Karrierefrau versucht oder gar als Alleinerziehende den patriarchalen Gedanken unterläuft ist das heute auch ok. Dafür haben Feministen und Emanzen schließlich gekämpft. Wenn 'man' schon Mutter, dann ist 'man' das nebenbei. Da soll um das ‚Kinder haben’ auch kein großes Tamtam gemacht werden. Es reicht wenn Frau verinnerlicht hat, dass sie zum Ganzen nur ihre Eizelle beisteuert.

Was hat den Müttern und Töchtern ihren ungerechten Platz beschert? Was ist denn schief gelaufen? Nichts! Es handelt sich nicht zufällig um eine Schieflage, sondern um die lange traurige Entwicklung mit patriarchalen Vorzeichen, Frau kann diese analysieren, erklären, begründen, sollte sie aber nicht länger hinnehmen. Es ist an der Zeit die Veränderungen einzuleiten.


„Kinder brauchen Kinder…“, sagte Frau von der Leyn bei Christiansen. - Ich würde sagen, falscher Ansatz, Kinder haben genug nur Kinder um sich, aber viel zu wenig mütterliche Erwachsene. Was Kinder überhaupt nicht brauchen, ist der Aufenthalt in einer Herde Gleichaltriger mit einem, wenigen letzlich überforderten erwachsenen Gegenüber, im Verhältnis eins zu fünfundzwanzig! Kinder brauchen das gemischte unmittelbare Umfeld von Erwachsenen, die sie lieben, leiten, ihnen eine gesunde Entwicklung innerhalb von altersgerechten Grenzen garantieren. Ich gehe noch weiter und behaupte, Kinder brauchen vor allem reichlich weibliche Erwachsene, jedenfalls mehr als jetzt zur Verfügung stehen, nicht nur einen Vater und eine Mutter.


Gut, stürmen wir nicht zu weit in die Zukunft, fangen wir damit an, unsere Einstellung und unser Denken zu verändern. Jede in ihrer Verantwortung.


Mutter sein ist nicht nur ein Einzelschicksal, es immer auch ein kollektives Erlebnis.



Noch eine Buchempfehlung für Interessierte:

‚Das Lehrerhasserbuch’ von Lotte Kühn!

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