04 Oktober 2011

Lebendige Mütterwelt

Teil I 
Das verlorene Matriarchat oder die fernen Mütterwelten

... was ist eigentlich  das Matriarchat? Unter dem umstrittenen Begriff des Matriarchats verstehe ich keine zeitlich umrissene Gesellschaftsform, die irgend wann begann und irgendwie endete bzw. vom Patriarchat überrollt wurde. Matriarchal bedeutet für mich die mütterlich-weibliche Denk- und Handlungsebene innerhalb einer Mütterbezogenen Ordnung. Matriarcht ist keine gesetzegestütze Organisationsform. 

Im matriarchalen Gemeinschaftsleben gibt es allerdings Regeln, es wirkt Konsens und ein natürliches Selbstverständnis. Das so schwer dem Maistream klar zu machende Phänomen "Matriarchat", ist eine undefinierte Zeitspanne, in der die Menschen Jahrtausende lang natürlich lebten und sich sozial - egalitär entwickelten. Es war also kein System, das durch eine Macht organisiert oder gar durch eine Ideologie geprägte Gesellschaft, sondern vor allem eines:

das nahe und dauerhafte Zusammenleben mit den unmittelbaren, blutsverwandten Angehörigen. Die Lebensgrundlage ist beständig mutterbezogen und vor allem geschwisterlich. Wir finden hier Matrilinearität und die matrifokale, sowie matrizentrierte Basis des menschlichen Zusammenlebens.

Unser heute so individualisiertes, zivilisiertes und isoliertes Leben verhindert, bis auf ein paar Ansätze nahezu alle Subsistenzwirtschaft und Konsensversuche. Dazu müsste unser derzeit gestalteter Alltag über die maximal drei bis fünf Personen der durchschnittlichen Kleinfamilie, die aus mehr Kinder als Erwachsenen besteht, hinausgehen. In unseren Kleinfamilien gibt es in der Regel nur zwei Erwachsene. Wachsen die Kinder heran, haben sie die vier Wände der Eltern / der Mutter zu verlassen.

In einer funktionierenden Matriastruktur würde frau sich im Alltag auf eine Gruppe von etwa zehn bis zwanzig Personen beziehen, in der die Anzahl der Erwachsenen eher überwiegt. Dabei interagieren alle angehörigen Personen in gegenseitiger Fürsorge und zwar nicht gelegentlich, sondern täglich. Auch mir fällt es schwer, mir diese Intensität vorzustellen und mich mitten in so eine Vorstellung hinein zu projizieren. Denn nur in einem nicht zu kleinen, aber immer noch überschaubaren Rahmen lässt sich für alle eine Position finden, die bindungsrelevant und doch individuell so tragend ist, dass innerhalb dieser Gemeinschaft für JedeN eine eigene natürliche Entwicklung gewährleistet ist.

Matriarchale Strukturen sind für die meisten heute deshalb so schwer vorstellbar, weil wir das dichte, das unmittelbare Sippengefüge nicht mehr kennen und konditioniert wurden, unsere Zeit und Energie in die Beziehungsarbeit mit „Fremden“ zu stecken und zwar vorallem in das Liebesdogma mit einem (heute wechselnden) Lebenspartner. Wir sind es gewohnt täglich viel mehr Zeit mit Nicht-Angehörigen zu verbringen, als mit unseren (konsanguinen) Herkunftsfamilien- bzw. Sippenmitgliedern.

Für die tägliche Begegnung mit der eigenen Mutter oder Großmutter, mit dem Bruder oder der Schwester, den eigenen Kindern und denen der Geschwister, gibt es keine Vorbilder im gelebten Dasein. Wir sind nicht damit aufgewachsen und unsere Kinder, die Menschen die unser aller Zukunft gestalten werden, besitzen erst recht keine Erfahrung damit. Wir haben zwar eine Ahnung, wie es sein könnte, schlagen uns jedoch mehr mit den patriachösen Hürden und Denkverboten herum, als grundsätzlich einem matrivivialen Bewusstsein Raum zu geben.

Die natürliche, die gewachsene Struktur der (noch) existierenden Matriarchate ist für uns grade nicht erreichbar. Der Vorteil ist, dass es überhaupt noch lebende Vorbilder gibt. Ich sehe die Fortschritte, die Frauen bei der Erforschung und bereits Erschaffung matriarchaler Strukturen machen durchaus sehr deutlich und die Geschwindigkeit mit der sich dieses Gedankengut derzeit ausgebreitet hat, finde ich atemberaubend.

Das Informationsmedium Internet spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Wir können uns vernetzen und verständigen. Wir sind ohnehin per verschiedene Medien nie allein. Uns umgibt eine gut funktionierende Infrastruktur, durch die wir versorgt werden und so ist es möglich, dass viele über einen langen Zeitraum ohne Angehörige leben und scheinbar ohne sie zu vermissen. Aber weil wir durch die moderne Gesellschaftsstruktur pseudoverbunden sind, fällt vielleicht den meisten einfach nicht der grundsätzliche Mangel an essentieller Menschennähe auf. Im Idealfall besitzt jedeR eine, durch unsere Gesellschaftideologie legitimierte Person, auf die er / sie sich beziehen darf. Es wird eine Partnerschaft eingegangen, die eine, anderen gegenüber, exklusive Lebensgemeinschaft bildet.

Manchmal scheint es, als seien in unserer Gesellschaft matriarchale Strukturen völlig entschwunden, dass wir ganz von vorn anfangen müssen, um diese neu zu etablieren und dafür wäre erst einmal das Patriarchat zu beseitigen. Eine Gesellschaftsform lässt sich natürlich nicht einfach so auswechseln, sondern immer nur allmählich überschreiben. Daher meine ich, wir brauchen nicht wirklich von vorn anzufangen. 

Eine zukünftige matriarchale Ordnung bildet sich nicht durch das Erlassen von Gesetzen oder Geboten aus dem Patriarchat heraus, sondern wenn wir uns ab sofort nicht mehr an den Spielregeln des Patriarchats beteiligen. Wenn wir die Erkenntnis und das nötige Wissen zulassen, werden wir früher oder später wieder über ein matriarchales Bewusstheit verfügen. Ein erster Schritt wäre, die Einstellung zur Verbundenheit von Mutter zur Tochter und zum Sohn zu verändern, als ein rückwirkendes Verständnis der Vergangenheit und als ein vorwärts gerichtetes Handeln in die Zukunft.



Ein Essay zum Thema „Lebendige Mütterwelt“ zusammengestellt aus meinen Kommentaren oder Emails an Freundinnen und Blogbekanntschaften...
 

2 Kommentare:

birgit hat gesagt…

ganz kurz ins unreine dazu
ich war überrascht wie viel ich doch an struktur gefunden habe beim genauen hinsehen
und versuche andere gedanken immer wieder einzubringen auszusprechen und wachsen zu lassen
seien wir guten mutes
lg birgit

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Ahhh! Super!!!
Gut, dass ich kurz mal vorbei geschaut habe.
Im Moment bin ich eher bei Ereshkigal unterwegs.....
Also,...bis bald.
Sei ganz lieb gegrüßt
Rosi