06 Januar 2015

... glauben - was ich schon immer mal sagen wollte...

Immer wieder stelle ich fest, dass es einigen scheinbar nicht leicht fällt, das landläufige „etwas glauben“ und das glauben an einen „Glauben“ zu unterscheiden.

Bis heute gibt es einen flächendeckenden Religionsunterricht in der Schule, welcher zum Teil sogar von den Kindern konfessionsloser Eltern wahrgenommen wird (werden muss). Und selbst wenn es ein neutrales Fach (Werte und Normen oder so) gibt, findet da im Sinne der Toleranz eine mittelbare Unterweisung pro Religion statt. Das heißt auch, die gesamte erwachsene deutsche Bevölkerung die in der BRD zur Schule ging, ist nachhaltig mit Glaubensinhalten (aller Art, aber vorwiegend christlichen) konditioniert und kontaminiert worden. Auch wenn frau/man im Erwachsenenalter beispielsweise die Kirche verlässt, erlebte ich oft, dass sich flux einem anderen Heilversprechen zugewendet wird. So werden oft nur die Inhalte ausgetauscht, aber das „Glauben an etwas“ wird dabei nicht aufgegeben.

Der Glaubensinhalt einer Religion liegt in der Regel in einer Art Paralleluniversum neben unserer 'natürlichen' Welt und vermischt sich ständig mit unserem naturgemäßen Dasein. Allem was wir an ganz konkreten, leiblichen und sinnlichen Erfahrungen in unserem Alltag machen, kann durch theologische Vorgaben widersprochen werden. So kann eine eigentlich schmerzvolle Erfahrung in ein übergeordnetes und daher euphorisierendes Erlebnis umgewandelt werden, das aus einer wachen Wahrnehmung in eine entrückte, manipulierte Gefühlswelt führt. Ein Kind, dass schon früh lernt einem unsichtbaren Gott, der wiederum alles sieht, gegenüber eine Demutshaltung einzunehmen, ist derart mit einer eingebildeten Gefahr beschäftigt, dass die natürliche Wachheit der sinnlichen Wahrnehmung manchmal für immer eingeschläfert wird (das Kind fürchtet dann den unsichtbaren strafenden Gott mehr als z.B. einen realen übergriffigen Erziehungsberechtigten).

Der strafende Gott ist heute zwar mehr denn je dem "liebenden Gott" gewichen, aber der Unterschied ist gar nicht groß wie manche meinen, denn der Gläubige soll diesem Gott nach wie vor mit Haut und Haar gehören. Die Bereitschaft in unserer Gesellschaft einem 'Glauben' anzuhängen (und wenn wir es hier nur mit Spielarten des aktuelle Mainstream zu tun haben) ist, so finde ich, grundsätzlich erschreckend hoch - mit anderen Worten - gut verinnerlicht. Wobei ich die Zuwendung zu einer 'atheistischen Religion' auch in dieser Tradition sehe.

Gott oder göttliche Wesenheiten sind vor allem eine, der menschlichen Vorstellungskraft entsprungene Idee und der Glaube innerhalb der verschiedenen Theologien ist nur eine Ideologie. Die Vertreter der Ideologien verlangen von ihren Anhängern, nicht nur das Glauben an ihre kreierte Idee im Rahmen der vorgegebenen Parameter, sondern erwarten auch von den Gläubigen, dass sie die Idee nicht hinterfragen und ihr Leben nach dieser ausrichten, um neue Gläubige und Anhänger zu produzieren. Die inzwischen recht säkulare Kultur des sogenannten westlichen Abendland ist immer noch durchtränkt von christlichen Metaphern und unterschwelligen Glaubenssätze. Es ist so was wie ein Tabu, 'nichts zu glauben'. Eine Art höhere Instanz als tatsächliche bzw. personelle göttliche Existenz vorauszusetzen hat den Status einer anerkannten kollektiven Kulturleistung.

Allerdings glaube ich auch - so zum Beispiel, dass die Erde rund ist und mit dem Mond die Sonne umkreist. Oder dass der patriarchale Mensch in seinem Technologiewahn die Erde ruiniert - doch hier ist es weniger ein glauben, sonder eher logisches Schlussfolgern. Es gibt trotzdem viele Sachverhalte, die ich einfach glauben muss oder will, da ich sie nicht alle überprüfen kann oder will.

Und darüber hinaus gibt es allgemeingültige ethische Werte an die ich glaube (und sie anwende), da sie sich auf das gedeihliche Miteinander beziehen und uns in den natürlichen Kontext unserer Erdenexistenz einordnen.

Die patriarchalen Weltreligionen, die einen gruselig hohen Anteil an monotheistischen Theologien aufweisen, mögen vielleicht einmal als eine Art Verhaltenskodex für frühe patriarchöse Gesellschaftsformen angefangen haben (siehe u.a. die 10 Gebote), aber die humanen ethischen Werte, die sich die moderne Gesellschaft gerade wieder gegen religiös verquaste Vorstellungen langsam erkämpft, sind so was wie ein Teil unseres artgerechten Lebensstils und daher keine Neuschöpfung, sondern nur eine Erinnerung ...


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