… wir
wählen uns in der Regel unsere Religion nicht freiwillig. Es ist
üblich, dass Kinder in ein bereits religiös vorgeprägtes Umfeld
hineingeboren werden, in dem das sogenannte Elternhaus die persönliche Richtung
vorgibt. Die Eltern und unsere sonstigen Angehörigen erziehen uns
unseren späteren Glauben an, zumindest versuchen sie es.
Ich
bin unter den gesellschaftspolitischen Laborverhältnissen
der, ein sozialistisches bzw. kommunistisches Staatsgefüge
anstrebenden, DDR aufgewachsen. Die 'Religion', so schien es, wurde
anfangs auf deren Territorium nur geduldet, blieb aber bis zum
Niedergang der marxistisch-leninistischen Idee eine feste Größe im
Alltag des truschigen ostdeutschen Kleinstaates.
Die
meinungsbildenden Lehren der gut organisierten tradierten
Kirchen standen der, sich menschenfreundlich gebenden,
Staatsideologie gegenüber und beide verschmolzen in ihren, besonders
maskulinen, Idealen mitunter auf seltsame Weise mit einander.
Das
sozialistische Schulsystem setzte auf die Überzeugungskraft der
neuen ideologischen Werte ( Freiheit für alle und keine religiös
gestützte Herrschaftskaste) und stichelte, wo es nur möglich war,
gegen die, als überholt gebrandmarkten, Glaubensvorstellungen der
religiösen Überlieferung.
Die
Kirchen einfach nur abzuschaffen wäre jedoch, dem sich tolerant
gebenden, Sozialismus nicht gut bekommen. Das Politbüro oder wer
auch immer, bemühte sich, besonders am Anfang dieses bizarren
gesellschaftspolitischen Experiments, mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln den Wirkungsradius der traditionell vorhandenen
Religionen so gut es ging zu beschneiden. Das bemühte Konzept ging
jedoch nicht wirklich auf. Die konventionelle Religionshörigkeit
eines Großteil der Bevölkerung kollidierte zwar einerseits mit der
modernen Staatsräson, vermischte sich jedoch andererseits mit den
neuen, heroisch daherkommenden Wertevorstellungen einer idealistischen Utopie zu einem
mainstreamigen Einheitsbrei.
Als
Kind an etwas zu glauben, was die kriegstraumatisierten Eltern
manchmal selbst nicht mehr zu glauben vermochten, stellte mich vor
eine besondere Herausforderung. Trotzdem fand ich es irgendwie gar
nicht mal so schlecht an dem parallel zum Schulunterricht
stattfindenden Religionsunterricht teilzunehmen oder auch mal
sonntags in die Kirche zu gehen. Denn dort gab es interessante
Informationen, die mir in meiner drögen Dorfschule vorenthalten
wurden. Der deutlich hervorgehobene, die Geschichte betreffende,
Konflikt machte mich neugierig. Natürlich konnte ich später all die
losen Enden verknüpfen und mir ein realistisches Bild von der
historischen Vergangenheit und der immer noch (sowohl
politisch wie auch konfessionell und geisteswissenschaftlich) manipulierenden Gegenwart machen.
Der
"Glaube" meiner Kindheit ging dabei restlos verloren.
Bis
zu meinem heutigen, recht gut informierten Geschichtsverständnis und
den daraus resultierenden Handlungsoptionen sowie meinem (ethischen
wie auch spirituellen) Wertekodex, war es allerdings ein weiter und
manchmal mühsamer Weg, den ich mir über weite Strecken allein
suchen musste.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen