09 Mai 2016

...lieber philosophieren (auf naturgemäßen Niveau), statt jammern (auf hohem Niveau)

aus einem Konzept zu verschiedenen Kommentaren...

„… erkennen wir unsere wahre Natur. In unserer etwas freieren westlichen Welt kommt sie langsam wieder an die Oberfläche.
Danke, liebe Gabriele, dass du auf diese entscheidenden Punkt hingewiesen hast. Unsere „Urnatur“ kommt eben immer dann zum Vorschein, wenn die Repression der patriarchalen ideologischen und konkret gewaltsamen Zwangsverordnungen an Wucht und Bedeutung in der Gesellschaft verliert.
Die Female Choice hatte sich, wie du schon nachgewiesen hast, ohnehin nie völlig unterdrücken lassen, was die Patriarchose einerseits unterlief, andererseits unendlichen vielen Frauen (und auch Kindern) das Leben kostete und heute immer noch als die Sünde schlechthin wider des Vatersystems gewertet wird. Das hat sich seit seinem Beginn bis heute zu der allgemeinen Androzentriertheit ausgewachsen, die sich immer noch in der Gesetzgebung, der Denkungsart des Mainstreams und den kulturellen Dogmen und Tabus der anonymen Großgesellschaft niederschlägt. Dazu gehört auch die sich hartnäckig haltende Behauptung, ein Kind braucht seinen Vater.

Hier setze ich gern an und behaupte, dass es umgekehrt ist: Der 'Vater' braucht das Kind! Jedenfalls heutzutage. Schließlich ist so ein kleines Menschenwesen oft genug seine einzige Anbindung in puncto Zugehörigkeit und Identifikation mit verwandten Angehörigen. Auch Väter sind letztlich verlorene Kinder der nicht mehr existierenden Mutter-Sippe. Der moderne kinderliebe und fürsorgende Vater agiert in der Beziehung zu "seinen Kindern" seinen (evolutionär - berechtigten) immanenten Drang zur Geborgenheit aus und zwar in der vorhandenen und ihm möglichst auch wohlwollenden, (Klein)Gemeinschaft. Das Patriarchat bietet nun mal seinen Männern neben ein paar privilegierten Machtoption für wenige, nur noch das Kerngeschäft der Paarungsfamilie.
(siehe http://stephanieursula.blogspot.de/2015/11/das-in-die-pflicht-genommene-elternpaar.html

Nicht nur hier in der Diskussion, auch in der Forschung oder populärwissenschaftlichen Betrachtungen wird sich meiner meiner Meinung nach zu sehr auf Vererbung und den Gen-Anteil kapriziert. Die patriarchale Denke zwingt uns ein Geschacher um das Kind auf. Dabei ist es doch genau so ein berechtigtes Mitglied der Menschengemeinschaft wie ein paar Jahre später als Erwachsener. Das Gerangel wer den größten (pseudo-)berechtigten Anteil an einem Kind und damit welche (Verfügungs)Rechte über das Kind hat, sind Relikte der Patriarchose. Es ist nur ein paar Jahrzehnte her, dass die Zeit zu Ende geht in der dem Vater per Gesetz das ganze Kind „gehörte“ oder er es bei Nichtgefallen einfach nicht anerkannte. Im Patriarchat ging es nie darum dem Kinde durch den Vater Fürsorge angedeihen zu lassen, das ist ein recht moderner Anspruch. Vaterschaft wurde/wird als eine Art Verursacherprinzip angesetzt, dem zu Grunde lag/ liegt, aus "dem Schwängern einer Frau" das Recht abzuleiten über diese beiden Menschen, Mutter und Kind, verfügen zu können – das ist Patriarchat.

Der 'Vater', also der an der Zeugung per Spermium beteiligte Mann, sah einen Vorteil für sich darin sein Kind und hier vor allem die Söhne, für seinen Clan, seinen Einflussbereich und bei entsprechendem politischen Rang für seine Wehrhaftigkeit zu rekrutieren.
Das setzte voraus, dass die Frau und ihre Sexualität und Gebärfähigkeit, unter eine rigide Kontrolle gebracht wird und weil dass (bis heute) die einzige Möglichkeit war, der „eigenen“ Söhne (und Töchter) einigermaßen gewiss zu sein. Der dabei entstandene Ehrbegriff mit dem heute noch kleine Jungs aufgezogen werden, wurde überall da geltend gemacht, wenn unbedingt zu erhaltende Jungfräulichkeit der Tochter und die lebenslange Treue und Keuschheit der Ehefrau über die innere Privatheit hinaus zu einem grundsätzlichen Politikum erhoben wurden. Nicht der prinzipielle (und evo-biologische) Wert eines Lebewesens, wie auch das des menschlichen Kindes, ist im patriarchalen Universum von Bedeutung, sondern die bloße quantitative Anwesenheit, seine Arbeitskraft, seine Nutzbarkeit, seine Kampfkraft…

Leben ist ein unwillkürliches, sich selbst erhaltendes System und nur weil wir Menschen ein paar der möglichen Mechanismen erkannt oder glauben durchschaut zu haben, stellen wir immer wieder Theorien auf, die direkt oder latent den Menschen in den Mittelpunkt der Evolution stellen. Als wäre 'der Mensch' tatsächlich die so gern zitierte Krone der "Schöpfung". Es wird auf hohem ideellen Niveau philosophiert und leicht dabei vergessen, dass wir als Teil des Natursystems ein abhängiges Individuum sind, das im Falle 'Mensch' einer sozial eingestellten, also fürsorgenden, Gemeinschaft bedarf. Denn das (menschliche) Individuum wurde einst in seine Bindungsgruppe hineingeboren und verblieb in der Regel in diesen Lebenszusammenhängen bis zu seinem Tod (vor allem wenn es weiblich war). Diese Grundeinheit einer naturgemäßen und damit artgerechten Fürsorgegemeinschaft ist eine Spezialität der Spezies Mensch... ich nenne sie 'Das Matrifokal'.

Das Grundmuster des menschlichen Arterhaltes (in dem der notwendige Selbsterhalt integriert ist) finden wir nun mal in der Matrifokalität, welche auf das natürliche Agieren der female choice setzt. Matrifokalität bedeutet Matrilinearität und Matrilokalität als Basis vereint und diese beiden Begriffe sind hier nicht gesellschaftstheoretisch zu verstehen, sondern als Ausdruck des konkreten evolutionsbiologischen Daseins. Wir können es noch in den wenigen, meist abgelegenen Gemeinschaften finden, die salopp „Matriarchate“ genannt werden. Das sind aber keine politisch konzipierten Kleingesellschaften, sondern artgemäß homogen gewachsene Bindungs- und Fürsorgegemeinschaften, mit einem Wort Muttersippen.

und noch zu Georg Reischel … du schreibst: „Erst dann, wenn sich die Evolution bereitwillig den Interessen eines individuellen männlichen Organismus unterwirft und für ihn die Monogamie etabliert, entwickelt er zumindest rudimentär “Brutpflegeeigenschaften”...“
Ich nehme mal an, du hast das satirisch gemeint.. ;-) … denn ich denke, wir sollten uns abgewöhnen in unseren Formulierung 'die Evolution' wie ein handelnd und denkendes Phänomen darzustellen, das auch noch eigene Interessen verfolgt.  

Als 'Evolution' bezeichnen wir u.a. die unwillkürliche Entwicklung des organischen, sich selbsterhaltenden Systems 'Leben', das zwischen den vorhandenen energetischen, chemischen und physikalischen (anorganischen) Parameter (die ebenfalls als Natur bezeichnet werden), stattfindet und sich ununterbrochen im Lebewesenuniversum unseres Planeten gegenseitig beeinflusst. Das Prinzip der Evolution ist das der Chaostheorie, die thematisiert, dass innerhalb einer Komplexität sich mit jedem „Flügelschlag eines Schmetterlings“ ständig das Gesamtsystem graduell abwandelt und sich somit in einer ständigen durch nichts zu kontrollierenden, absichtslosen Veränderung befindet.

Die Monogamie oder was auch immer, selektiert sich dann, wenn es sich für eine Gesamtspezies innerhalb des lebendigen Systems, zum Beispiel im 'Tierreich', als aktueller und weiterführender Vorteil erweisen würde - hat sie z. Beispiel in der Vogelwelt. Und Vögel sind direkte Nachfahren der Dinos und die sind in ihrer massiven Ausführung bekanntlich ausgestorben. Menschliche Monogamie fällt meines Erachtens nicht unter evolutionären Vorteil, sondern ist eher als (einseitiges) maskulines Wunschdenken zu verstehen, dass im Patriarchat gern erfüllt wird.

Beim Flix habe ich gerade ein für mich neues Wort entdeckt: sar-ra-zi-nie-ren. In der Comic-Zeichnung wurde es folgendermaßen erklärt: „etwas biologisch rechtfertigen, obwohl es völliger Quatsch ist...“ ... und so sollten wir aufpassen, dass sich beim eifrigen Argumentieren Ursache und Auswirkung nicht verknoten, so dass nicht immer wieder, die durch den Menschen kulturell entstandenen und alchemistisch erzeugte Bedingungen, grundsätzlich als Selektionsvorteil umgedeutet werden


1 Kommentar:

Georg Reischel hat gesagt…

Ein Kommentar von Christian (allesevolution): Evolutionär betrachtet lohnt sich für einen Mann die Versorgung seiner Kinder nur, wenn er eine relativ hohe Sicherheit hat, dass es tatsächlich seine sind. Und das ist erst einmal der Vorteil der (zumindest kurzzeitigen ggf seriellen ) Monogamie.

Antwort von Georg Reischel: Das heißt im Umkehrschluss, dass der männliche Organismus originär keine Bereitschaft kennt, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Erst dann, wenn sich die Evolution bereitwillig den Interessen eines individuellen männlichen Organismus unterwirft und für ihn die Monogamie etabliert, entwickelt er zumindest rudimentär „Brutpflegeeigenschaften“. Da aber die Evolution nun mal höhere Interessen kennt, als eben die Interessen eines individuellen männliche Organismus, etabliert sie die Monogamie in kurzzeitiger oder ggf serieller Form.
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Etwas Grundsätzliches: Erst durch die Reproduktion eines lebenden Organismus gibt es die Evolution überhaupt erst. Und die Geschichte der Menschheit gibt es auch nur deswegen, weil der Mensch Nachwuchs in die Welt setzt.  Welchen Sinn sollte unser Leben denn haben, ohne Kinder? Das wichtigste Produkt der Menschheit ist das Kind, welches die unabdingbare Voraussetzung für alles weitere ist.

Nun kann auch man Christian (allesevolution) verstehen und entsprechend einordnen.

Noch etwas: Um den Menschen in seinen Qualitäten evolutionär möglich werden zu lassen, mussten die “Instinktzwänge” aufgelöst werden. Der Mensch hat, wenn überhaupt, nur sehr lose Verbindungen zu seinen ehemaligen tierischen Instikten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Impetus der Evolution aufgebrochen wurde.

(Beim Sex, welcher als “Trieb” organisiert ist, also noch am ehesten ein Instinkt wäre, ist der Impetus aufrecht erhalten worden, weil man trotz aller Lebensentwürfe nicht vergessen darf, neue Wesen in die Welt zu setzen und bei der geschlechtlichen Fortpflanzung ist das erst einmal der Geschlechtsverkehr, der für sich erst einmal nicht bedeutet, dass man sich dabei auch fortpflanzt. Und diese Diskrepanz wird durch die triebliche Organisation des Sexes unterbunden)

Durch die sehr sehr lose “Instinktbindung” verschwindet die angenommene Mitte des Menschen, die er sich neu errichten muss. Dadurch sind wir zur Kultur verdammt, welche aber nie zu einer eigentlichen Mitte führt. Jede kulturelle Tätigkeit hat künstlichen Charakter.

Sprich, es verbietet sich in aller Regel oder gar ganz, beim Menschen auf die Evolution zu verweisen.