23 Mai 2015

Bittersüß


... und da die Patriarchatskritik ein Teil des Postpartriarchats ist, 
hier eine süße Sichtweise auf das Phänomen: ...die Süße der Patriarchose
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21 Mai 2015

Postpatriarchat oder matrifokale Gemeinschaft

Das Postpatriarchat
Für mich hat dieser Begriff so ein Flair von postapokalyptisch. Das Postpatriarchat wäre dann also die unmittelbare Zeit nach dem Patriarchat. Es suggeriert, dass eine Art Paradigmenwechsel stattgefunden bzw. sichtbar im Gange ist. Ich kann dergleichen noch nicht feststellen. Der Begriff Postpatriarchat bezeichnet also keine konkrete Gesellschaftsform, sondern bringt nur die Hoffnung zum Ausdruck: das Ende des Patriarchat ist gekommen.
Einige tun so als hätte sie bereits begonnen, die Zeit danach - das Postpatriarchat – die noch nicht definierte Zukunft unserer globalen Gesellschaft. Meiner Meinung nach ist derzeit gar nichts „post“. Und weder der Beginn noch das Gefüge, des zu erwartenden gesellschaftlichen Öko- und Wertesystems einer zukünftigen Weltgesellschaft, ist bisher umrissen. Was folgt also nach dem Patriarchat und wie könnten sich tatsächlich die ernsthaften Schritte des Übergangs gestalten? Welche Art eines Gesellschaftsgefüges wird sich aus der jetzigen, für alle so drückenden Patriarchose entwickeln und was, wenn die Nutznießer der derzeitigen Kultur ihre Macht einfach nicht aus den Händen geben wollen?
Ich weiß, dass da eine gern zitierte Vision im Raum steht: Mann und Frau als autarke, also vollkommen unabhängige (auch wirtschaftlich), Individuen, welche sich aus Liebe und nach Bedarf zusammen tun und innerhalb gewisser, biologisch vorgegebenen, Lebensabschnitte für einen Fortbestand der Art sorgen, ohne ein Sippengefüge aufkommen zu lassen. Die Fortführung des Eheideals auf höchstem Niveau, jedoch ohne das strenge Reglement des (christlichen) Ehegedanken und gleichzeitig unter Vernachlässigung der relevanten elementaren Kindheitsphase und möglichst ohne Wahrnehmung des biologischen Alterungsprozesses. Der naiv vorgegebene, gesellschaftlich Leitsinn zielt immer noch auf das (unnatürliche) Ideal der dauerhaften Partnerschaft hin, welche jedoch nicht verpflichtet ist eine (kollektiv relevante) Altersabsicherung zu gewähren.
Ich kenne solche futuristischen Trugbilder noch aus der Zeit meiner Jugend, die ich im DDR eigenen sozialistischen Umfeld der staatlichen Indoktrination und dem dazu passendem Schulsystem erlebte. Daher fällt es mir auch schwer, mir das Postpatriarchat als eine funktionierende Partnerschaftsgesellschaft (ohne die ursprüngliche Sippenbindung) vorzustellen. Das ist für mich genauso unrealistisch, wie einst die kommunistischen Gesellschaftsmodelle einer marxistisch - leninistischen Ära, die ähnliche utopische Ideen pflegten, dabei auf technischen Fortschritt setzten und im sozialen Bereich diffus eine allgemeine Verbrüderung als tragendes Element annahmen. Auch hier wurde weder der Schwestern, noch der Mütter und Töchter gedacht.

Der Mann als Träger des Postpatriarchats?
Wie wird sich also, wenn es soweit ist, die postpatriarchalische Gesellschaft entwickeln? Aus welchen, heute bereits wirksamen Impulsen geht das neue Paradigma hervor? Wird der Mann, die ihm bisher (durch göttliche Fügung) beigegebene Gehilfin „Frau“, zu seiner Nenn-Partnerin machen und ab sofort auf jede weibliche Ausbeutung und Diskriminierung verzichten? Oder strampelt sich der Großteil der Frauen frei und findet nach dem individuellen das kollektive Bemühen der Frauen statt, den Mann überhaupt erst partnerschaftstauglich auszubilden, damit für jede/n ein ersprießliches und Nähe garantierendes Zusammenleben gewährleistet werden kann?
Findet im Postpatriarchat nach der Sozialisierung des Machoman dann weiterhin eine Art permanenter Singlebörse als einziger Sinn der Lebensgestaltung statt? Und wo finden wir den Ort der Sozialisierung, um einen postpatriarchaltauglichen Mann zu kreieren? In der bereits etablierten Kleinfamilie wohl nicht, das hat bisher kaum geklappt? Oder durch all die alleinerziehende Mütter bzw. Väter? Oder gar in dem Gewirr der modernen Patchworkfamilien-Landschaft oder in einem der matrifokalen Sippe nachgebildeten Wahlclan? Um weiterhin weit weg von mütterlichen oder blutsverwandten Verbandelungen, das erwachsene, bindungsarme, autarke Individuums zu formen und auf die Suche nach einzelnen Partnern zu schicken, die ebenso unter den Defiziten leiden, die die moderne Vereinzelung mit sich bringt? Der Dreh- und Angelpunkt scheint auch für die Zukunft immer noch in einer differenzierten Neuordnung des Geschlechterverhältnis innerhalb oder außerhalb einer Bindungsgemeinschaft zu liegen. Es wird ihn (hoffentlich) nicht geben, den Gender-Norm-Menschen der Zukunft - für den prinzipiell keine Geborgenheit in einer naturgemäßen menschlichen Herkunftsgemeinschaft vorgesehen ist und der durch den postapokalyptischen Mainstream zum beziehungsbereiten doch bindungsarmen, flexiblen Partner für jedefrau bzw. jedermann geformt zu wird.
Unsere Natur können wir nicht abschütteln und so wird der Mensch auch weiterhin als ein von mütterlicher, menschlicher Fürsorge abhängiges Wesen zur Welt kommen. Aber unsere moderne Welt ist bekanntlich bereits in allen ihren Ausprägungen vorhanden und gefühlt besteht sie nur aus fertigen erwachsenen Menschen im besten Erwachsenalter. Diese festgelegte erwachsene Welt kreist als Ego-Karussell durch unser Leben. In dieser Welt haben es die kleinen hineingeborenen Menschlein nicht einfach all das zu bekommen, was sie eigentlich für ihren Start ins Leben brauchen und um später ihre individuellen Lebensaufgabe zu erfüllen.
Wir kommen auf die Welt und müssen als Individuen erst einmal lernen im jeweiligen kulturellen Kontext zu interagieren und uns nach und nach die Anforderungen des späteren erwachsenen Lebens erarbeiten. Die urzeitlichen Menschen (deren Muster bei uns noch wirksam sind) wuchsen (über Jahrtausende) unmittelbar in einem Sippengefüge unter Geschwistern und direkten Angehörigen auf und verblieben in der Regel bis ans Ende ihrer Tage in diesen Gemeinschaften. Somit erlebte die/der Mensch auch permanent jede menschliche Alters- und Entwicklungsphase bei den Anderen mit und an sich selbst. Die natürlich aufgewachsene Frau wird auch daher ohne weiteres den weiblichen Gesamtzyklus verinnerlicht haben. Die eigenen ineinander fließenden Lebensabschnitte waren (sind) komplex mit denen der Nähemenschen (Sippenangehörige und Alltagsgefährten) verwoben. Das menschliche Dasein fand/findet eigentlich in unmittelbaren Bindungsfeldern statt, die zklisch und generativ verschränkt waren. Dass ihre Lebensabläufe heutzutage von vielen Mitfrauen oft wie eine Einbahnstraße gelebt werden, ist der männlichen Dominanz geschuldet, welche alle unsere Alters- und Lebensphasen beherrscht. Die Frau lebt von Natur aus eigentlich einen anderen Rhythmus als der Mann und würde es jederzeit wieder tun, wenn sie ihrem Takt folgen kann.
Das Patriarchat baut sich vor allem auf die vitale (und zum Teil aggressive) Lebensperiode des Mannes auf. In dieser Phase eines Männerlebens wurden die heute noch wirksamen hierarchischen Machtpotentiale geschaffen. Hier ist der Mann kein von der Mutter abhängiges Kind mehr und kein von der Sozial-Gemeinschaft abhängiger alter Mann, sondern immer der starke (je nach Sub-Kultur auch gewaltbereite) und im Kreis seiner Verbündeten lebende, Mann mittleren Alters.
Der wettbewerbende Mann im mittleren Alter ist der Taktgeber in unserer patriarchösen und androzentrierten Gesellschaftsstruktur. Ein Postpatriarchat würde erst einmal weiterhin unter der Dominanz des Mannes stehen, da das Ideal des Vaters von jeher nur ein kulturelles Konstrukt war, dass zudem parallel mit der gewaltsam eingeführten Herrschaftshierarchie platziert wurde. Das ursprünglichen Gefüge der artgerechten Gemeinschaft ist somit nach und nach fast vollständig global zerstört worden.

Der Vater und das Postpatriarchat
Die Berufung auf die Wichtigkeit der Vaterschaft halte ich eher für eine Kampftaktik und weniger als die Vorstellung, dass der Mann einst seine Bedeutung bei der Entstehung des Nachwuchses erkannte und bereit war in diesem Sinne Verantwortung zu übernehmen. Gewiss, der Sohn hatte für den Vater im beginnenden Patriarchat einen bedeutenden Stellenwert, als hoffentlich verlässlicher Verbündeter, als sein Erbe, als Verlängerung der eigenen Person über den Tod hinaus.
Dass die Vater-Sohn-Konstellation auch immer wieder Konflikte barg, ist allerdings auch zu bekannt.
Heute hat das Kind - der Sohn im Sinne von Status - für den in der westlichen Kultur lebenden Mann fast keine Bedeutung mehr. Da heißt es eher: mein Haus, mein Auto, meine Yacht – aber weniger mein Sohn oder gar meine Tochter. Auch wenn es den Anschein hat ich tue hier einer Menge Männer unrecht, läuft, wenn wir genau hinsehen und uns nicht von den neuen Idealen blenden lassen, das volle Patriarchenprogramm immer und überall im Hintergrund mit. 'Pater' bedeutet nun mal nicht, wie wir eigentlich wissen sollten, (leiblicher, biologischer) 'Vater' sondern 'Herr'. Sehr schön ist hier in dem Zusammenhang das Beispiel des Papstes, der ja nun im heutigen Verständnis so gar kein (sorgender) Vater ist, jedoch von seinen Millionen Gläubigen und auch von der atheistischen Welt als (Heiliger) 'Vater' bezeichnet wird.
Nichts finde ich zurzeit schwieriger als den Vaterbegriff, obwohl er allen mit dem allergrößten Selbstverständnis über die Lippen geht. Egal ob leiblich, sozial oder im übertragenen Sinne, 'Vater' ist der Begriff, welcher mit dem Patriarchat unmittelbar verknüpft ist und ihn nicht nur sprachlich geprägt hat.
Ich persönlich kann mir die Zeit nach dem Patriarchat eigentlich nur als Matria-Gesellschaft, als eine matrifokal-basierte Welt (in der natürlichen mütterlichen Ordnung) vorstellen. Eine Welt in der wieder die Geschwisterlichkeit ihren Platz hat und das generationsübergreifende Selbstverständnis zu unserem Bewusstsein gehört. Der heutige so populäre Partnerschaftsgedanke (alle einander fremden Männer und Frauen sind sich menschlich zugetan und spüren immer und überall ein partnerschaftliches Verständnis) wird sich bei aller Anstrengung höchstens als eine Art Übergangslösung entpuppen, da diese Art Partnerschaft auf (anonymer) Nichtverwandtschaft basiert und ein rein ideologisches (bzw. politisches) Konstrukt ist. Und daher sage ich es gern immer wieder: es wird nicht funktionieren. Denn dem Individuum wird weiterhin bei einem Gesellschaftsmodell der Partnerschaft, also dem Paarkonzept ohne Angehörigenbindung, die erforderliche Geborgenheit und kollektive Fürsorge entzogen wird. Als unser artgerechtes Sein sollten wir endlich die geschwisterliche und durch allgegenwärtige Mütterlichkeit geprägte Gemeinschaft annehmen, denn hier wird, wahrscheinlich schon immer, in angemessener Form den Geschlechtern, egal wie vielen, Gerechtigkeit zuteil.
Nun ist ja Patriarchatsrecht nicht automatisch Männerrecht. Es gibt reichlich Anzeichen dafür, besonders im Hinblick auf das Wirtschaftssystem, dass die uns umgebende Patriarchose hin zu einer maligenen Phallokratie fortschreitet. Nicht der, ohnehin fragwürdige, väterliche Anspruch konditioniert die Gesellschaft, sondern ungezügelte, männliche Hybris weniger Privilegierter, die sich wie Geiselnehmer der Gesellschaft verhalten bzw. sich als Drahtzieher eher im Hintergrund halten. Auch das Patriarchat war und ist bisher kein Maßanzug für JederMann. Immer wieder müssen wir Frauen mitansehen, dass die wahren Privilegien im Patriarchat auch den Männer nicht in den Schoß fallen und nicht ein jeder automatisch ein Gewinner ist. Um zu einem Gewinner aufzusteigen, gilt es erst einmal sich dem allgemeinen Wettbewerb zu stellen und diverse Kämpfe auszutragen. In den Anfängen des Patriarchats war das wörtlich zu verstehen. Eine entsprechende Herkunft hat auch schon immer diese Form des Anerkennungskampfes erleichtert. Aber am Ende sind Triumphzüge trotzdem selten genug. So mancher Knabe fängt zwar bereits bei der Geburt recht weit oben auf der Hierarchieleiter an, doch das ist keine Garantie am Ende zu den Gewinner der Patri-Gesellschaft zu gehören. Das Zeitalter der Väter, der Macht gewohnten Patriarchen, scheint sich ohnehin immer mehr aufzulösen, aber nicht etwa um den nun gleichberechtigten Müttern (Frauen) Platz zu machen.

Die Frau und das Postpatriarchat
Dieser Tage ist das noch wirksame Patriarchachtssystem immer noch eine Art Konfektion für den Mann mittleren Alters (bevorzugter Typus: Einsamer Jäger), ein Anzug, der natürlich trotzdem nicht jedem passt. Da sich derzeit die ethisch/ideologische Kleiderordnung von ausschließlich 'Mann' auch hin zu 'Mensch' erweitert hat, dürfen auch Frauen mehr denn je in diese Kostümierung schlüpfen. Unter bestimmten Umständen können sie sich zeitweise auch gut darin bewegen, doch vom Grundansatz her ist es immer noch ein maskuline Uniform.
Wirkliches weibliches Sein und weibliche Werte finden nur schwer Einlass in die patriarchalen Männerbünde. Der Kampf, manchmal um jeden Preis, der auf die Niederlage der Gegner und den eigenen Sieg zielt, ist nicht wirklich ein Frauending. Obwohl auch da unser Schulsystem so früh wie möglich Mädchen und Jungen in einen ungesunden Wettbewerb zwingt und Konsens und Miteinander vergessen lässt. Dass Frauen immer noch nicht die Chefetagen stürmen, liegt nicht nur an der sogenannten gläsernen Decke, sondern auch daran, dass Frauen dem System hilflos (...was soll das Ganze?), kritisch (...wozu soll das Gerangel gut sein?) oder unwillig (...ach nee lass mal, ich will das nicht!) gegenüber stehen. Sich im Wettbewerb unter Einhaltung der Hierarchieregeln nach oben zu kämpfen ist für so manche Frau keine Option sondern manchmal nur eine verdammte Zeitverschwendung. Als Mütter haben wir eigentlich sowieso was anderes, etwas Besseres, zu tun.
Bleibt also nach wie vor die Frage: können wir das Patriarchat überwinden und uns als Gesellschaft heilen? Werden wir statt der Patriarchose und deren postumen Erscheinungen eine Gesellschaft schaffen, die nahtlos an das Konzept der matrifokalen Urgemeinschaft anknüpft? Bisher will ja keine in die Steinzeit zurück. Und selbst wenn sich auch gerade an der Stelle neue Einsichten bilden, hat trotzdem fast eine Jede Angst die bequeme Moderen zu verlieren. Übersehen wird dabei ständig, dass wir nicht das steinzeitliche Know-how zurückholen wollen, sondern die artgerechten sozialen Bedingungen unter denen unsere Ahninnen lebten und so zu 'Menschen' wurden. Wir sind das Ergebnis unseres naturgemäßen und artgerechten Seins. Und diese Basis wieder als Alltagslage einzuführen wäre schon allen Kindern zuliebe wünschenswert.
Hier begegnen mir leider immer wieder eine sehr geringe Vorstellungskraft, die gerade unter Frauen in der bangen Frage gipfelt: "Wie soll das denn gehen?" oder "Ist das denn belegt...?" oder in der Feststellung, dass wir ja 'vieles nicht wissen können, weil ja niemand von uns dabei gewesen ist'. Da die (anerkannten) Wissenschaftler der Archäologie oder ähnlichen Disziplinen so manches völlig anders darstellen, traut Frau meist nicht ihrer Vorstellungskraft, die eine Art kollektive Erinnerung ist. Ich bin eh der Meinung, dass wir, als aufmerksames Individuum, viel mehr wissen, als nur die Faktenhäppchen, die uns sparsam serviert und in männlich/ patriarchaler Manier auch noch vor-interpretiert werden. Frauen sollten wirklich damitbeginnen die Welt zu erklären...

Dazu ein kurzer Auszug aus meinem betrachtenden Essay "Das weibliche Wissen"...:
Unser Wissenserwerb geschieht von Anbeginn über unser sinnliches Sein und wird bewahrt durch die aktive menschliche Erinnerung, die immer eine kollektive Komponente war und ist.
Unsere Ahninnen, heißt es, kamen viel herum ... sie waren als Wildbeuterinnen unterwegs. Allerdings sind sie nicht etwa nur irgendwie ziellos in der Welt herumgestreift und haben "Beute gemacht". Sondern sie erkundeten die Landschaftsgebiete, in denen sie lebten und die die Nahrung für die Sippe sicherstellten, oft über viele viele Genrationen hindurch und das Wissen, das frau daraus zog, wurde nicht nur von einer Person verinnerlicht, sondern als aktive kollektive Erfahrung abgespeichert (ein Effekt der Epigenetik). Sie brachten Kunde davon zurück in ihre Gruppe, zu denen, die noch nicht oder nicht mehr mithalten konnten und sie legten diese in den persönlichen und vor allem in den kollektiven Erinnerungsspeichern ab - in den Hirnen aller Gemeinschaftsangehörigen. (und vergessen wir nicht: Kommunikation ist weiblich!)
Alles, was sie unterwegs gesehen, geschmeckt, gerochen, gehört und gefühlt hatten gaben sie weiter. Nie kann Eine je alles allein erfahren und trotzdem verfügen wir als Individuum oft über ein sehr viel umfangreicheres Wissen. Schon weil sich das Individuum nie selbst an alle Plätze dieser Welt begeben und wenn, dann dort andere eigene Erfahrungen macht und weil wir immer viel mehr sind als ein Einzelwesen … der Mensch als Gruppenwesen tritt (als Person) mit einem umfassenden Anlagepool in die Welt und dieser Erbteil unserer Ahninnen ermöglicht(e) uns unser lebenslanges Lernen und Erinnern, das wiederum jedem Einzelwesen und der Bindungsgemeinschaft zu Gute kommt. Menschen nehmen, wie alle andere Lebewesen auch, das Wissen der sie umgebenden Umwelt auch osmotisch auf und zwar vom Anbeginn ihrer personellen Existenz. Unsere Sinne sind unsere Verbindung nach außen und zwar jeden Moment des Lebens, auch wenn einem das im Alter nicht mehr so vorkommt. In der Natur (aber auch in der von Menschenhand und -hirn geschaffenen Kultur) sind daher alle unsere Sinne von immenser Bedeutung. Das ist unsere Natur. Selbst wenn Unmassen von Ideologien, Theologien oder Patrireligionen uns weismachen wollen, dass der Mensch als eine Art beseelte Schöpfung kreiert wurde bzw. eine (natur-) unabhängige Seele hat.
Wenn wir allerdings auf eine Art Beseelung bestehen, dann wäre das für mich der Kollektivgeist den wir in uns tragen. Die gespeicherten Erfahrungswerte unserer Vorfahren, zu denen auch all unsere Vorgängerarten gehören. Unser erstaunliches und scheinbar autarkes Wissen ist keine Einzelleistung des Individuums, auch wenn das manche gern hätten. Es gibt imho kein Wissen und keine Erleuchtung oder große Vision deren Grundlagen nicht ohnehin ständig kollektiv neu angelegt, vervollkommnte und individuell variiert wird ... wir mixen nur aus allem, was wir in uns tragen (was bereits durch die langen Verkettungungen zwischen dem Potiential unserer Vorfahrinnen grundgelegt wurde) und dem was wir im Laufe unseres Lebens dazu erworben haben ein ständig neues Bild von der Welt und ihren Möglichkeiten und zwar seit dem Moment, in dem wir eine winzige Anlage zur Eizelle waren. Unser persönliches Wissen um die Welt, in die wir hineingeboren wurden, gipfelt darin ein einzigartiges Individuum einer bestimmten Spezies zu sein - aber ohne alle Anderen vor uns und diejenigen, die bis heute unsere Nähegemeinschaft bilden, sind wir eben auch nur der berühmte Flügelschlag des Schmetterling im Fluss der Zeit.

Die Mutter als Zentrum der artgerechte Fürsorgegemeinschaft (im Postpatriarchat?)
Als soziales Wesen haben wir uns auch Regeln des Zusammenlebens geschaffen. Der grundlegende Automatismus war und ist: das Wohl der Gemeinschaft und somit des Individuums, denn das wiederum garantierte den über den Selbsterhalt hinausgehenden Arterhalt.
Vergessen wir die angebliche Bedeutung von Unterrichtsstunden oder Lehrbüchern, sie sind nur ein (kleiner) aufgesetzter Teil der gesamten Lernerfahrung unseres Daseins. Entscheidend ist dagegen immer die innige, die intensive und wohlwollende Nähe der Fürsorgegemeinschaft in die einst das Menschenkind hineingeboren wurden und auch heute noch wird. Die aus (bevorzugt konsanguinen*) Angehörigen bestehende Fürsorgegemeinschaft ist der Lebensschlüssel unseres Menschseins seit der Zeit, da sich die Spezies Mensch zu formen begann.
Was ist der Nähekreis? Was können wir uns darunter vorstellen. Die klassische (Klein)Familie ist es nicht oder nur bedingt, besonders für ein Kind. Denn was ist schon für ein Kreis der lediglich aus aus zwei (erwachsenen) Personen besteht: Vater und Mutter? Noch dazu wenn das Kind sie oft über mehrere Stunden am Tag kaum zu Gesicht bekommt. Selbst wenn zusätzlich Geschwister da sind, bleibt dem Kind in der Regel die Erfahrung verwehrt von verschiedenen angehörigen Nähepersonen betreut zu werden, ihnen am Tag immer wieder zu begegnen bzw. mit ihnen nach Bedarf zu interagieren.
Trotzdem ist der Kern eines jeden Menschenbeginns die Mutter-Kind-Einheit und das was ich als Nähekreis bezeichne, ist etwas, was wir quasi nicht mehr kennen – ein Umkreis von nahestehenden und vor allem (konsanguin) verwandten Menschen die im Alltag permanent zu uns gehören und in dem die Einbettung der Mütter und ihre Kinder als Selbstverständnis daher kommt.
Leider ist es heute in der westlichen Kultur mit einer fürsorgenden Nähegemeinschaft nicht weit her. Die Kleinfamilie (bzw. das alleinerziehende Elternteil) ist lediglich ein mangelhaftes Surrogat, das aus einem maximal zwei erwachsenen Menschen zusammensetzt ist und nur dauerhaft funktioniert, weil es unterstützt wird durch ein Heer anonymer Dienstleister, die zum Teil als fragwürdige Miterzieher fungieren.
Sollten wir als Gesellschaft die Vernunft aufbringen und wieder anfangen 'von der Mutter her' zu denken und daher an das natürliche soziale Gefüge unserer Ahninnen - die Matrifokalität - anknüpfen, bliebe auf alle Fälle unseren Kindern die immer dramatischer werdende Vereinzelung erspart. Die Mütter, die dann das Postpatriarchat aufräumen werden, müssen sich auf Menge Arbeit gefasst machen. Eine gründliche Trennung von all den patriarchösen und somit schädlichen Konditionierungen und deren Umwandlung zurück zu humanen Werten ist dafür die dringenste Voraussetzung...


*konsanguin - durch Geburt verwandt in mütterlicher Linie

...und sollte euch das Alles schon wieder sehr bekannt vorkommen, auch diesen Text klöppelte ich aus verschiedenen meiner Kommentaren und Statements zusammen...
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17 Mai 2015

eine glückliche Julia...

Die Geschichte einer Geschichte, ihr Inhalt, ihre Moral und die Energie, die sie trägt, war einst das weibliche Element, die Essenz der Erzählung, die lehrreiche und unterhaltsame Kunde, die überliefert wurde. Diese Form der kommunikativen Weitergabe ist uralt und spiegelt unser ureigenstes menschliches Wesen.
Die Kunstfertigkeit der Sprache, das Jonglieren mit Worten, der Schliff und die Vielfalt der Metaphern sind heute vor allem den männlich geprägten Strukturen der literarischen Art von Kommunikation unterworfen.
Die menschliche Verständigung, die sich immer weniger in der mündlichen Weitergabe ausdrückt, verkümmert und verstummt mehr denn je zugunsten des Schreibens und Lesens. Die Schrift ist der Träger und eine der Abarten der Literatur ist das Umsetzen in (bewegliche) Bilder und vorgefertigten Texten für alle, die nicht (nur) lesen wollen oder auf echten verbalen Austausch verzichten (müssen), aber sich nach Menschenart nach lebendiger Unterhaltung sehnen.
Eine Handvoll Grundideen beherrschen die Kunst des Unterhaltens, die inzwischen nur zu oft, die Aussage einer Geschichte zu einem beliebig häufigen Abklatsch verkommen lässt und bis zum Erbrechen variiert wird. Eine endlose Reihe wohl formulierter Rechtfertigungen für das Übel in der Welt und die Festschreibung dessen – gewalttätiges Heldentum, verwehrte Liebe und die Kontrolle der Frau, sinnlose Lebensgefahr und Kampf gegen einen unnatürlichen Tod und das obligate Happyend ohne dabei ein wirklich glückliches Ende zu verkünden. 

Denn das Leben und das Berichten darüber, ist wie wir wissen, eine Unendliche Geschichte. Das Schicksal eines Individuum wird uns immer auch berühren und Beispiel geben. Deshalb wäre es nicht verkehrt uns die Vorbilder für unsere Stories, die ein unbestimmtes Publikum erreichen, etwas sorgfältiger auszuwählen. Die Spiegelung des bestehenden Sozialgefüges und unserer Kulturen sind dabei von besonderer Bedeutung. Sie zeigen einerseits den Ist-Zustand und gleichzeitig liefern sie Vorlagen für künftiges Verhalten. 
Seit es patriarchale Verhältnisse gibt werden diesen millionenfach variiert und dabei immer wieder etabliert und moralisch festgeschrieben. So ist die Literatur ist voll von unglücklichen Liebesgeschichten. Sie sind alle mehr oder weniger Spielarten von Romeo und Julia – das Beispiel der unerfüllten Liebe, die sogar im frühen Tod endet und deren glückliche Erfüllung stets an widrigen gesellschaftlichen Umständen scheitert. Dabei ist es gleich ob das Hindernis in unüberbrückbaren Ideologien, unterschiedlichen Ethnien oder verfeindeten Elternhäuser besteht oder einer der beiden ein Vampir ist. Die unerfüllte, die unmögliche, Liebe ist nach den Gesetzen der Romantik die einzig wahre, große Liebe und nur über die lohnt es sich zu schreiben. Auch das scheint ein ehernes Gesetz, ein literarisches Dogma zu sein. Wer möchte schon einen banalen Tatsachenbericht lesen? Wie beispielsweise: Romeo trifft Julia … sie sehen sich, sie verlieben sich, sie begehren sich ... sie finden zueinander ... sie sind glücklich ... und ihre, sich seit Zeiten schon immer gut verstehenden Angehörigen sind ebenfalls darüber sehr glücklich … sie feiern gemeinsam ein Fest … nach vielen Festen trifft Romeo Felicia und Julia trifft Enzio … sie sehen sich … sie verlieben sich … sie sind glücklich … die Welt verzichtet gern auf mehrfaches Leiden und bedauert nicht um eine Tragödie ärmer zu sein … das Glück der Liebenden jedoch schreibt sich fort und fort...

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