11 Mai 2021

Wir sind unser Körper

In Diskussionen um Abtreibung usw. fällt gern mal der Satz: mein Körper gehört mir. Das hört sich an, als existiere die Mensch als Person außerhalb bzw. unabhängig von einem biologischen Körper, den sie dann nur für bestimmte Gelegenheit benutzt (zum Beispiel um ein Kind zu bekommen) und auf den auch andere Zugriff haben, wenn wir nicht aufpassen.

Wir sind eine solche Denkweise gewohnt, in der eine Person noch vor ihrem körperlichen Dasein im gesellschaftlichen Kontext als metaphorische Existenz rangiert. Diese Art der Beurteilung ordnet unser menschlichen Sein als einen ideellen Zustand ein, der den Körper in welchem alles stattfindet, wie Staffage, wie beliebige Hardware, wie ein bloßes Transportvehikel betrachtet - wir sind eine (virtuelle) Person und die "hat einen Körper".
Im Patriarchat müssen Frauen ihren Körper wie ein ihr zugemessenes Hoheitsgebiet verteidigen, wenn sie nicht sowieso so konditioniert wurden, dass sie bereits verinnerlichten, eigentlich irgendwem zu gehören – einer anderen Person oder einem Kollektiv. Wir haben uns als Frau eine extrem unsinnige Art angewöhnt, uns als personelles symbolisches Wesen zu präsentieren, aber wir sind keine ominöse Wesenheit, die unter anderem einen Körper hat.
Daher habe ich keinen Körper - Ich bin mein Körper! Mein virtuelles Selbst, von mir als real empfunden, gibt es ohne meine organische Manifestation nicht.
Ich habe/besitze also keinen Körper, der mir gehört, weil ein Schöpfer ihn mir zuteilte bzw. den ich vorübergehend bewohne, sondern ich bin ein biologischer Organismus, der sich in der Form eines sichtbaren, fühlbaren, also gegenständlich wahrnehmbaren, lebenden Körpers darstellt. Meine persönliches, individuelles Sein als Instanz, die in der Lage ist mit der Welt außerhalb meines Körpers Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren, ist eine geistige Potenz.

Wenn ich also sage: mein Körper gehört mir, ist dass objektiv falsch, Für mich hört sich das an, als wäre es bisher so gewesen, dass ich nie eine richtige Verfügungsgewalt über meinen Körper habe und ihn mit dieser Feststellung einfordere. Jederzeit könnte eine andere/höhere Macht mir meinen Leib streitig machen, ihn mir wegnehmen. So wurde wohl auch von manchen der Tod verstanden. Doch das sind Glaubenskonzepte. Wir leben aber in einer evo-biologischen Realität. Ich bin mein Körper. Ohne meinen Körper, ein lebender, hoch entwickelter Bioorganismus, gäbe es mich weder als Mentalwesen, noch als sogenannte Seele, noch als virtuelle Person.

Mein lebender Körper beherbergt meinen Geist und meine Psyche. Dieser Soma-Komplex Körper stellt zwecks Überleben die dazu notwendigen vegetativen und geistigen Funktionen bereit und alles bildet unter günstigen Bedingungen eine, sich selbst erhaltende Einheit.

Man kann einen (anderen) Biokörper an seinem Funktionieren hindern, ihn (schmerzhaft) einschränken oder ihn vernichten, aber nie eine tatsächliche Trennung von Körper, Geist und Psyche vornehmen. Dieser, unter bestimmten gefühlten Umständen, Effekt kommt uns real vor, findet aber immer noch innerhlab dieses einen Körpers bzw. in seinem Gehirn statt.

Ist kein körperlicher Organismus vorhanden, gibt es auch keinen (separaten) Geist oder eine sogenannte Seele.

Wir, als Frau, als Menschenwesen, sind unser biologischer Körper und in dem wächst, je nach Schicksal, ein anderes Menschenwesen heran. Da wir unser Körper sind, liegt es also in der eigenen Verantwortung, uns selbst zu erhalten und stellen unseren Körperkomplex unserem Nachwuchs zur Verfügung, um so neuem Leben eine Chance auf Existenz zu geben. Es ist ein biologisches Phänomen, die unwillkürliche Lebensweitergabe, die sich schon sehr lange vor allen kulturellen Werten, Moralvorstellungen und (patriarchalen) Gesetzgebungen, im evolutionären Naturgeschehen herausbildete.
Eine beginnende Schwangerschaft bedeutete nie, dass auch tatsächlich später ein lebendes gesundes Menschenkind auf die Welt kommt. Lebensweitergabe unterliegt ebenso einem Zufallsprinzip wie das Leben als solches auf unserem Planeten und die Anpassung an vorhandene Bedingungen drückt sich im selektiven, evolutionären Geschehen aus. Jedes menschliche Individuum, jede Frau, ist ihre eigene, zu respektierende Bio-Körperlichkeit und als solcher in einer natürlichen Menschengemeinschaft Teil derselben.

Doch wir leben derzeit im Pariarchat und somit in einer kulturell verinnerlichten, graduell unterschiedlich empfundenen Sklavinnenhaltung (Traumaeffekt). Diese aufgezwungene Körpererfahrung löst bestimmte vegetative Reflexe aus: u.a. können wir scheinbar mit unserem Geist oder "als Seele" aus unserem Körper (virtuell) heraustreten um Drangsal, Schmerz und Todesangst in unserem körperlichen Daseins zu ertragen. Gefahr lässt den Körper reagieren mit Flucht, Kampf, Erstarrung und dissoziativer Unterwerfung. Darüber hinaus sind beispielsweise manche Verhaltensweisen ein Ergebnis von religiöser Konditionierung und übler patriarchaler Gehirnwäsche und/oder qualvoller Fremdbestimmung (und damit Teil des Stockholmsyndroms), die uns scheinbar als Pseudo-Geist-Wesen von unserem Körpersein abspaltet. Aber es gibt definitiv diese Spaltung nicht als nachweisbare Realität.

Wir sind unser Körper. Und als solcher, müssen wir besonders als Frau darauf bestehen gesellschaftliche Unterstützung zu erhalten (im Sinne unserer angeborenen Matrifokalität) und Bedingungen vorzufinden, in der unsere Körperlichkeit unversehrt bleibt und wir ganzheitlich unser Leben in einem realen Alltag leben können.

Anhang: Und hier eine kleine Zusatzerklärung wie ich die Themen Hirntätigkeit, Geist, Bewusstsein und Seele sehe: Was nicht existiert, ist nicht vorhanden - eigentlich ganz einfach - und was existiert bzw. erfahrbar wäre, aber von uns Menschen noch nicht erkannt wurde, ist zwar da, aber noch nicht für unser Welt definiert und daher für den menschlichen Geist nicht erfassbar.
Diese Art der Definition, erfasst durch einen menschlichen Geist, als Erinnerung bewahrt in einem menschlichen Geist, per menschlicher Kommunikation beschrieben und weitergegeben (als Meme verbreitet), ist das Schlüsselmoment zum gegenseitigen Verständnis im Alltag und ursprünglich um die Verbesserung im Zusammenlebens zu fördern. Der sogenannte menschliche Geist, also unsere Art der Gehirntätigkeit und hier vor allem das Zusammenspiel individueller Erinnerung mit kollektiver Weitergabe, ist ein wesentliches, ständiges Überlebensereignis. Die Erfahrungen und Erkenntnissen aller Individuen, hätten keine Bedeutung, würden sie diese nicht in und mit ihrer Lebensgruppe teilen.
Der Austausch findet über jede Form der artspezifischen Kommunikation statt und ist eine der evolutionsbiologisch selektierten Überlebensstrategien, welche die Mensch mittels ihrer hochkomplexen differenzierten Sprache (gegenüber anderen Tierarten) entwickelte und kulturell verfeinerte. Mit diesem Sprachvermögen definierte sie nicht nur ihre Umwelt, sondern sorgte für die Weitergabe der individuellen und kollektiven Erinnerungen. Das wiederum führte zu dem Phänomen des abstrakten Denkens. Diese Form des Abstrakten, der nur geistig, also abstrakt, vorhandenen Vorstellung, erschien wohl durch die Jahrhunderte hindurch vielfältig ausgeübte Denktätigkeit, so manchem als ein vorhandener Geist außerhalb des Körpers. Wir erfassen energetische Feldwirkungen im Außen und weisen ihnen eine Art (bewusstes) Eigenleben zu. Diese Denkweise brachte die Vorstellung von Göttern und Dämonen hervor, spekulierte über die Möglichkeit der Reinkarnation und verbreitete angenommene, aber nicht tatsächlich existierende "Realitäten" - Phantasiewelten und Glaubenskonstrukte aller Art.
Die/der Mensch kann inzwischen ganze Universen geistig erschaffen, also erdenken und diese im Detail sogar als Vorlage für zukünftige Technologie verwenden. Der kulturell trainierte menschliche Geist denkt sich komplexe Parallel- und Anderswelten aus und versucht diese auch gern zu beweisen - die Basis des maskulinen Machbarkeitswahns. Und unser kulturell geschulter Geist ist in Lage nicht reale, materiell nicht existierende Phänomene so zu definieren, dass sie anderen wiederum real erscheinen. Aber nichts desto trotz … würden plötzlich alle menschlichen Körper mit samt ihren Gehirne verschwinden, blieb auf der immateriellen, also geistigen, Ebene ohne eine vorhandene organische Gehirnsubstanz in einem lebendem Organismus, nichts davon übrig - nur die Medien, die Schrift-, Ton- und Bildträger, die wir hinterließen, wären noch da, aber niemand mehr, der sie auswertet und der einstigen Sinn erkennt.

Stephanie Ursula Gogolin