Neulich habe ich mich mal wieder in eine Großstadt verirrt und das
Leben der modernen jungen Leute studiert. Einiges hat sich doch
geändert, seit ich dereinst selbst noch im Hamsterrad des Alltags
kreiste - manches ist leichter geworden, anderes hat sich
verschärft... habe dazu ein bisschen reflektiert:
Das Umschalten
zwischen den Welten und der kaum registrierte Stress, den diese
Lebensweise verursacht!
Wir setzen uns
täglich als erwachsenes Individuum, allein und bewusst, einer Kette
von Ereignissen aus, die bei uns trotz aller Gewohnheit eine Art
Dauer- Stress auslöst. Der gesamte klassische Tagesablauf, den wir
als durchschnittlicher Arbeitnehmer, Familienbetreiber und
Freizeitnutzer durchlaufen ist ein recht unnatürlicher Vorgang
geworden, wenn wir die menschlichen naturgemäßen Abläufe unserer
(ausschließlich zu Fuß gehenden) Vorfahren als die normalen
Voraussetzung ansehen.
Viele von uns leben
Tag täglich auf einem Stresslevel ohne ihn groß zu registrieren,
der uns jedoch bestimmt schadet . Diese Form des Stress ist eine Art
Dauerschleife. Logischerweise waren unsere Urmütter und ihre Kinder
auch einem naturgemäßen Stress ausgesetzt, aber erstens nie allein,
sondern in der Regel in der angehörigen Sippe und zweitens in einem
anderem Tempo, dass das Bindungspotential ausschöpfte. Unsere
Vormutter der Steinzeit lebte nicht als ständig separierte Person
unter hunderten anderen unbekannten Personen - also allein, sondern
als ein integrierter Teil einer generationsübergreifenden
Bindungsgemeinschaft.
Und heute begeben wir uns nur noch vereinzelt jeden Tag in die freie Wildbahn der Moderne, auch jede Mutter und ihr Kind. Wir kennen es nicht mehr in einem Pulk mit vertrauten Personen loszuziehen, wo eine auf die andere aufpasst. Höchstens kommt das noch bei manchen Freizeitaktivitäten vor und dann auch eher in der Jugendzeit.
Und heute begeben wir uns nur noch vereinzelt jeden Tag in die freie Wildbahn der Moderne, auch jede Mutter und ihr Kind. Wir kennen es nicht mehr in einem Pulk mit vertrauten Personen loszuziehen, wo eine auf die andere aufpasst. Höchstens kommt das noch bei manchen Freizeitaktivitäten vor und dann auch eher in der Jugendzeit.
Der einzige Vorteil
dabei ist, dass sich für uns im Alltag viele äußere Parameter
wiederholen und wir dabei zwischendurch die Erholung der Routine zu
spüren bekommen. Sitzen wir im Auto und fahren zur Arbeit, sind wir
als Individuum zwar in dieser Blechkugel unmittelbar geschützt,
müssen jedoch auf die sich schnell und ständig neu gestaltende
Verkehrslage außerhalb unseres Fahrzeugs reagieren – die Situation
auf der Straße und besonders im Berufsverkehr sind wie ein
Videospiel – ständig kann etwas Unvorhergesehenes eintreten.
Dauerkonzentration ist daher angesagt, auch nach einem langen
Arbeitstag.
Sind wir mit Bus und
Bahn unterwegs, brauchen wir uns keine Gedanken um das
Verkehrsgeschehen machen, dafür ist unser Körper unmittelbar vielen
verschiedenen Fremdkontakten ausgesetzt. Dabei denke ich, dass es
hier auch einen, oft deutlich sichtbaren, Unterschied zwischen
gewollten und unbewussten Reaktionen von betroffenen Männern oder
Frauen gibt. Und hier können wir davon ausgehen, dass die Frau in
der Regel, auch wenn ihr das kaum bewusst ist, immer viel mehr auf
der Hut ist.
Trotzdem geht
praktisch jeder scheinbar ganz selbstverständlich mit der
Ausgangslage des normalen Alltags um, schließlich wurden wir von
Kind an darauf trainiert. Dieses (Distanz)Training zielte sozusagen
darauf ab, unsere natürlichen Instinkte zu entschärfen und vor
allem auf zwei Aspekte zu richten – einmal dass wir uns als
Alleingänger angstfrei zwischen Unbekannten bewegen und zum anderen
die Masse, der uns ständig umgebenden Fremden, weitgehend zu
ignorieren. Wenn sich alle in dem gleichen trägen oder rasanten
Fluss bewegen, sind die anderen Menschen wie Gegenstände, die an uns
vorbei treiben. Wahrscheinlich würde es uns verrückt machen, wenn
wir all die Massen um uns als einzelne Personen wahrnehmen und auch
noch auf sie reagieren müssten bzw. würden. Besonders dann, wenn
wir nur kurz ein Bad in der Menge nehmen.
Da wir hier und
heute davon ausgehen können, uns im gesellschaftlichen, also
öffentlichen Raum relativ gefahrenfrei zu bewegen, ist es möglich
unsere Sinne zwischen latentem Alarmzustand und entspannten Rückzug
hinter unserer Aura, also in uns selbst, einzupendeln. Wir nutzen
Fahr- und Wartezeiten, besonders mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln, zur persönlichen Beschäftigung - schlafen, lesen,
tagträumen, mit dem Kind ein Bilderbuch ansehen - und eher selten
passiert etwas Aufregendes. Trotzdem sind wir nicht wirklich
unaufmerksam oder gar tiefenentspannt. Unbewusst läuft permanent das
Wahrnehmungsprogramm der Urzeit mit. Noch mehr verschärft sich die
Lage, auch wenn es nach außen nicht sichtbar ist, wenn wir ein Kind
dabei haben. Unsere Aufmerksamkeit ist nun mehrfach gebunden. Jetzt
gilt es zwei Personen unbeschadet an den Bestimmungsort zu bringen.
Und das bedeutet sofort, das wir eine ganz andere Haltung einnehmen
und mehr Wachsamkeit an den Tag legen, wenn wir für ein oder mehrere
Schutzbefohlene die Verantwortung tragen. Wohlgemerkt, als nicht
unterstützte Einzelperson.
Wir sind zwar
angehalten, haben es gelernt, uns an die moderne Alltagssituation zu
gewöhnen, aber als moderne Mensch werden wir durch die vielen
Einflüsse, und es kommen ständig welche hinzu, permanent in Atem
gehalten. Wenn sich also die Mensch in ihrem eng getakteten Alltag
ständig gestresst fühlt, ist das wahrhaft kein Wunder und keine
gesunde Voraussetzung, weder für Mutter und Kind, noch für
Jederfrau.
Die Mensch als
solches ist ein Anpassungsgenie und logischerweise setzt sich dieses
Verhalten auch in unserer Moderne fort. Die moderne Mensch passt sich
an Situationen an, auch wenn sie ihr nicht gut tuen. Wenn wir unsere
Lage (scheinbar) nicht ändern können, versuchen wir auch gern mal
die damit permanent einhergehenden unerfreulichen Gefühle zu
ignorieren. Was nicht jeder bzw. immer gelingt. Wir sind so in unser
Hamsterrad eingepasst, so dass wir oft erst munter werden, wenn die
Gesundheit massiv auf dem Spiel steht. Dabei sollten wir, gerade wenn
Kinder zu unserem Lebensraum gehören, das eigene Wohlbefinden nicht
aus den Augen verlieren.
Da wir weiterhin in
der Regel mehrfach am Tag zwischen den Welten und ihren Forderungen
an uns, hin und her wechseln, werden wir uns auch eher auf die gerade
anstehenden bzw. aufploppenden nächsten (mulmigen) Gefühle
konzentrieren. Unser Tagesgeschehen ist, auch wenn es uns so
vorkommt, selten ein organischer Ablauf in einer geborgenen
Atmosphäre, sonder ein Jumpen zwischen den unterschiedlichen
Anforderungen verschiedener Subroutinen. Es ist zudem üblich, dass
sich die Erwachsenen (und ebenso die Kinder), auch wenn sie die
gleiche Häuslichkeit miteinander teilen, trotzdem in verschiedenen
Subwelten der Gesellschaft aufhalten. Als Teilnehmerinnen ihrer
häuslichen Minigemeinschaften sind sie zudem damit beschäftigt,
nicht nur ihre eigenen Gefühlslagen auf die Reihe zu bekommen,
sondern die ihrer Mitbewohner gleich mit.
Das weibliche
Individuum der Spezies Mensch ist ein natürliches Bindungswesen
und endet im culture clash der Patriarchose als Beziehungsgeberin für
Beziehungsnehmer. Wir treten im Laufe unseres Lebens mit hunderten
Menschen in verschiedentliche Beziehungen. Im
Bindungsangehörigen-Kontext sind es immer nur einige, die in
patriarchaler Tradition, so früh wie möglich aussortiert werden. Es
ist die allseits bekannte Beziehungsarbeit, die Frauen und Mütter
gewohnt sind zu leisten ... wir sind auf 'fremd', 'nicht bekannt' und
'nicht verwandt' trainiert. Das Individuum lernt mit der
Verunsicherung, die damit einhergeht, zu leben. Unser soziales
Arrangement in unserer Kultur funktioniert auch leidlich, wenn die
Gesellschaft ein Niveau bereitstellt, in dem ein jedes Mitglied (auch
die Frau und Mutter) einigermaßen aufgefangen wird.
Eine der größten Herausforderungen ist und bleibt, besonders für das Kind, das Umschalten zwischen den so gänzlich verschiedenen Subwelten unserer Gesellschaft. Das kleine Bindungswesen 'Mensch' bringt für die Anforderung, sich relativ früh und in der Regel allein, in wechselnden Zivilisationsenklaven in Bindungslosigkeit wieder zu finden, eine Anpassungsleistung mit, die letztlich auch nur eine Überlebenstechnik darstellt. Irgendwann greift auch die Routine und das Kind gewöhnt sich an die verschieden Wechsel. Ob das allerdings für ein Kind gut ist, wird nicht hinterfragt.
Allein sein und
klarkommen in einer anonymen Gesellschaft, ist das Ziel und die Norm
der patriarchösen Kultur - ein wahrhaft absurdes Konzept. Das
anpassungsfähige Kind der Spezies Mensch kriegt das zwar hin, aber
was diese Situationen als permanente Dauerschleife mit dem Individuum
macht, permanent aus der Pseudo-Sippe 'Familie' verstoßen und wieder zugelassen zu
werden, ist ein Phänomen, das noch viel zu wenig Beachtung findet.
Dieser Mangel an gelebter Bindung und Geborgenheit und statt dessen
das gesellschaftliche Beziehungskarussell zu bedienen, gehört für
das moderne Kind zur Normalität und wir alle sind auch bereits damit
groß geworden.
Aber ... es ist
nicht unsere Natur ...
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