Kein Kindergarten im Dorf bedeutete für
mich, bis zur Schulzeit zu Hause bei Mutti sein. Damals hatte die
Koseform 'Mutti' noch nicht diesen Beigeschmack von leichter Peinlichkeit. Heute haben ja, außer Mama, fast alle
weiblichen Bezeichnungen einen abwertenden Tenor. Aber meine Mutti war die
Beste und ich hielt mich, bis zu dem magischen Moment, da die ersten
kleinen Spielkameradinnen in mein Leben traten, immer in ihrer Nähe auf.
Das heißt ich wurde den ganzen Tag überall mit hingenommen. Schade, dass ich an
die Zeit so wenig aktive Erinnerung habe.
'Bei Mutti sein' war letztendlich eine kurzweilige Angelegenheit - Haus, Hof, Garten, Feld und Wiese - dazu kamen Highlights wie Waschküche, der Saal oder Scheunen und Ställe.
'Bei Mutti sein' war letztendlich eine kurzweilige Angelegenheit - Haus, Hof, Garten, Feld und Wiese - dazu kamen Highlights wie Waschküche, der Saal oder Scheunen und Ställe.
Bei Mutti sein hieß also nicht,
andauernd an ihrem Schürzenzipfel hängen. Mutti trug, wie die
meisten Frauen auf dem Dorf bunte Kittelschürzen. An ihre Kleidung
darunter kann ich mich nicht mehr erinnern, aber damals trugen Frauen
vor allem Röcke und Kleider. So manches der Kleidungsstücke, auch meine,
nähte meine Mutter selbst. So ein kleines Röckchen ist ja schnell
gemacht und für die Puppe gleich eins mit. Für mich änderte sich
die berockte Zeit erst später. Praktische Hosen waren vor den
Siebzigern für die erwachsene Durchschnittsfrau fast undenkbar. Aber
das ist eine andere Geschichte.
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der brave Eindruck auf dem Bild trügt... |
Meine Mutter war nirgendwo fest
angestellt und hatte daher keine regelmäßigen Arbeitszeiten im
Sinne des heutigen Verständnisses. Trotzdem arbeitete sie quasi rund um die
Uhr, wie wir das immer noch von Müttern kennen. Mutti hatte noch zu tun
als ich abends zu Bett ging und war schon voll zu Gange, wenn ich
morgens aufstand. Sie stand dann schon in Kittelschürze und einem im Nacken
verknoteten Kopftuch in unserer Küche und rüstete sich für ihr
Tagewerk. Meist hatte sie da bereits die Hühner und Kaninchen
gefüttert, meinen Kakao gekocht und meinem Vater das Frühstück
zubereitet, wenn er da war.
Die Sommer waren toll - da schlüpfte ich morgens nur in
ein kurzes Kleidchen und wenn es das Wetter zuließ, lief ich den
ganzen Tag barfuß. Doch bevor ich raus durfte, hieß es noch
stillhalten - da verpasste mir eine Mutter zwei streng geflochtene,
Schleifen verzierte, Zöpfchen - mit der
Auflage, dass diese bis zum Abend halten mussten. Ob ich das immer
geschafft habe, weiß ich wirklich nicht mehr...
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