... gestern habe ich mir natürlich die
neue Sendung von Richard David Precht angesehen. Das Gespräch
mit Gerald Hüther
war recht interessant, obwohl ich den Eindruck hatte und das ist jetzt sehr freundlich ausgedrückt, zu sehr wollten
sich beide nicht aus dem Fenster lehnen. Denn die Sendung hieß nicht
"...ist Schule dumm?" sondern "Macht Lernen dumm?" und damit blieb der Titel recht unklar, denn Lernen ist eine komplexe Angelegeheit und nicht nur auf die Schule bezogen.
Aber trotzdem hoffe ich nach wie vor,
dass im Hinblick auf Schule sich endlich ein ernsthafter kollektiver
Änderungswille Bahn bricht.
Das Thema Schule reizt mich ja immer zu ein paar reflektierenden Gedanken und löst selbstredend erinnerte Gefühle an eigene Schulzeit aus. Und diese Art der Erinnerungen sind nicht nur glückliche...
Bildung, Schule – war lange eine Angelegenheit der privilegierten Bevölkerungsschicht und ist heute noch auf der Welt gerade für Mädchen, nicht immer selbstverständlich.
Der Stolz ein flächendeckendes Schulsystem zu gewähren, war von Seiten der Politiker wahrscheinlich schon immer größer, als die Einsicht in die Notwendigkeit, endlich einem jeden Kind ein individuelles Lernen zu ermöglichen. Noch als ich in die Schule kam wurde mir immer wieder klar gemacht, dass der Arbeiter- und Bauernstaat es mir ermöglichte in der Schule zu lernen und gegebenenfalls auch später zu studieren und dafür sollten alle dankbar sein. Dass es im zukünftigen Interesse Aller liegt, einen gut ausgebildeten Nachwuchs zu haben wurde weniger thematisiert. Was allerdings das Lernen betraf, da rannte man bei mir offene Türen ein. Gelernt habe ich schon immer gern und tue es heute noch, den Aufenthalt in der Schule jedoch fand ich durchweg mühsam und größtenteils unerfreulich.
Die soziale (dörfliche) Hackordnung in der Klasse machte mir zu schaffen und ich steuerte dem durch gute Noten entgegen, was die Sache jedoch nicht immer besser machte. Ich hätte viel lieber ohne intrigierende Klassenkameradinnen und raufende Klassenkameraden gelernt und ohne die von oben verordnete, verkrampfte sozialistische Gehirnwäsche. Aber wie sagte fünfundzwanzig Jahre später der westdeutsche Rektor der Realschule in die mein Sohn damals ging: „Schule ist Schicksal“.
Und so wird Schule von den meisten immer noch irgendwie gesehen, als unabwendbares Schicksal. Denn die Bedingungen unter denen Kinder in diesen Gettos der nicht-artgerechten Menschenhaltung lernen müssen, sind unglaublich vielen verschiedenen Zufällen unterworfen und das einzelne Kind ist dem in der Regel einfach ausgeliefert.
Zwar gehen die meisten scheinbar unbeschadet aus ihrer Schulzeit hervor, aber der organisierte Massenbetrieb hinter den Zäunen des separierten Schulgeländes ist so was von nicht artgerecht, dass ich gar nicht begreifen kann, wie wenig das den beteiligten Erwachsenen auffällt. Natürlich gibt es immer auch Einzelschicksale, da rettet die neutrale Zone der Schule Kinder vor anderweitig stattfindender Vernachlässigung und sie sorgt auch für eine nicht unbedeutende kollektive Formatierung im Verhaltenskodex. Das Kind mit der großen Klappe wird auch mal vom hohen Ross herunter geholt, das allzu schüchterne ermuntert aufzusteigen.
Denn nicht der zugegebenermaßen oft überflüssige Lernstoff ist das Problem, ich würde sagen er ist überhaupt das geringste Probleme, sondern die ungeborgene, kahle soziale Sphäre, in die sich das Kind integrieren muss. Denn trotz des dreijährigem Kindergarten-Trainingslager stellt die Schule völlig andere Anforderungen an das arglose sechsjährige Schulkind.
Es muss sich wiederum allein mehrere
Stunden am Tag mit bisher völlig neuen Forderungen wie Wegen,
Räumlichkeiten, Lichtverhältnissen, Geräuschen, kleinen und
größeren Gefahren (auch nur scheinbaren) sowie vielen fremden
Menschen auseinandersetzen. Es gibt natürlich immer wieder Kinder
denen das nichts auszumachen scheint, für einige jedoch ist das der
Auftakt zu einem nicht enden wollenden Stress.
Eine meiner Enkeltöchter wollte damals
nicht in die Schule, weil das kluge Kind sich vorstellen konnte, dass
für sie damit eine Zeit begann, in der sie permanent nicht mehr in
Ruhe gelassen würde. Und für sie, die sich heute noch gern
zurückzieht und als Dreijährige schon konzentriert malte und
bastelte und mehrmals am Tag mit ihren Kunstwerken Mutter und
Großmutter überraschte, unterbricht die Schule mit ihrem
verordneten Tätigkeits-Ruhe-Rhythmus immer wieder fremdbestimmend jeden kreativen
Fluss.
In diesem Enkelkind glaube ich, habe ich mich besonders stark wiedergefunden. Ich war einst ein stilles kleines Mädchen, so eine Art weiblicher Mini-Nerd und außer Erdkunde (lag wohl an der Lehrerin) hatte ich mit keinem Fach wirkliche Schwierigkeiten. Die Anforderungen meiner Dorfschule hielten sich für mich in Grenzen und das meiste habe ich mit links erledigt. Die neunte und zehnte Klasse im Nachbarort stellte auch nur bedingt eine intellektuelle Herausforderung dar, aber alles andere war eine verdammte Plage. Allein das frühe Aufstehen, um danach eine Stunde mit dem Schulbus über die Dörfer zu kurven, der überall die Schüler einsammelte, damit um 7.15 Uhr der Unterricht beginnen konnte.
Die (überwiegend männlichen) Lehrer legten einen unerfreulichen Ehrgeiz an den Tag, da sie den Landpomeranzen aus den umliegenden Dorfschulen erst einmal zeigen wollten, wo es wirklich langgeht. Dieses Imponiergehabe stressten mich doch sehr, denn mir ging es nur um den Input. Der Lärmpegel in den Pausen, das Geschubse und Gedränge in Fluren, die Fülle an neuen Gesichtern, erzeugte in mir ein ständiges Auf-der-Hut-sein. Macht sich denn überhaupt jemand darüber Gedanken, was diese tägliche Massenveranstaltung in einer normalen, gut geführten Schule mit unseren Steinzeitgehirnen macht? Und was erst in einer Problemschule?
Meine vier Kinder gingen anfangs in
einer größeren Stadt (Erfurt), später teilweise im gemütlichen
Lüneburg zur Schule. Von meinen zehn Kindeskindern sind bereits acht
Schulkinder und die älteste wird in diesem Schuljahr ihr Abitur
machen. Zusätzlich zu einem Schultag und nicht enden wollenden
Hausaufgaben, hetzen alle noch am Nachmittag zu all den
außerschulischen Ergänzungen, um ihre wirklichen Begabungen nicht
vollends verkümmern zu lassen. Und ich denke oft, was doch für eine
unglaubliche Verhinderung an Kreativität bzw. Verschwendung an
kindlichem Potential im normalen Schulalltag stattfindet.
Aber vielleicht seid ihr ja gern und
dankbar in die Schule gegangen...
.
1 Kommentar:
oh nein
ich durfte ja zu kindergartenzeit zu hause bleiben weil meine mutter hausfrau war und konnte mich in den schulbetrieb 1959 nur unter schmerzen und tränen einfinden
wahrscheinlich der grund dass ich bei allen schulveranstaltungen meiner kinder meist geheult habe
als einzigste versteht sich
alle anderen eltern waren so froh diese anstalt zu haben
frei nach dem motto ...ich wurde auch geschlagen und es hat mir nicht geschadet...
ich bin glühende liebhaberin des homeschooling und das was ich über finnische schulen höre lese
überhaupt wird mir finnland immer lieber neben norwegen das land meines herzens
meine schulzeit war GRÄSSLICH
und ganz besonders der turnunterricht bäääääähhhh
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